Er schrieb als Erster von unserem Planeten, wie kein anderer. Er war Astronomiker, Mathematiker und Physiker. Er berechnete die Planetensysteme, und erkannte, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Galileo Galilei schaffte Fakten, die bislang so niemand gekannt hatte. Hören wollte sie eine Institution nicht: die Kirche. Sie drohte dem Wissenschaftler mit Strafen, wenn er weiter diese Fakten verbreiten wollte. Ihre eigene Wahrheit sollte die einzige bleiben.
Das war 1633.
Heute, knapp 400 Jahre später, wissen wir wissenschaftlich gesehen so viel mehr, können Fakten überprüfen und das Sonnensystem auf ganz andere Art und Weise erforschen. Wir wissen auch, Galileo Galilei hatte recht.
Fakten sind in unserer Lebensrealität unumstößlich, eine Gesellschaft einigt sich auf einen gemeinsamen Konsens - basierend auf Forschung, Erkenntnis oder Tatsachen. Wenn nun eine Regierung der westlichen Welt plötzlich dieses Prinzip über Bord wirft - ja sogar negiert - , sind wir Tausende Schritte zurück. Denn auch Donald Trump und sein Stab haben den Medien in den letzten Tagen „Strafen" - wie zu Zeiten Galileo Galileis die Kirche - angedroht, wenn sie sich ihren „alternativen Fakten" nicht unterordnen und bei ihrer Darstellung bleiben. Ein „Krieg" gegen die Medien - längst geführt-, könnte dann weitreichendere Konsequenzen haben. Vor allem für die Medien, für das Organ, das in einer Demokratie möglichst unabhängig aufklärt, Dinge beleuchtet, reflektiert.
„Unsere Absicht ist es nie, Sie anzulügen. Manchmal werden wir die Fakten unterschiedlich interpretieren" - Sean Spicer am Montag im ersten offiziellen Medien-Briefing
Kurz lachte man noch, als Kellyanne Conway im Namen Donald Trumps über die „alternativen Tatsachen" sprach, in denen sie sich auf die unterschiedliche Sichtweise der Personenanzahl bei der Amtseinführung des neuen Präsidenten bezog. Wenig später, als Sean Spicer, sogenannter Pressesprecher, den Satz: „Unser Absicht ist es nie, Sie anzulügen. Manchmal werden wir die Fakten unterschiedlich interpretieren" aussprach, wurde mir persönlich so richtig anders.
Sind Fakten unterschiedlich interpretierbar? Schließt sich das Ganze nicht von vornerein aus? Ein Fakt ist ein Fakt, Tatsache bleibt Tatsache - der Interpretationsraum ist extrem eng gesteckt, sonst wäre der Fakt wohl mehr eine Vermutung, eine Schätzung, eine Annahme.
Wir haben das Glück, in einer Gesellschaft aufzuwachsen, in dem jeder frei seine Meinung äußern darf. Medien können und müssen frei über Tatsachen berichten können. Werden diese Tatsachen plötzlich von oberster Front, der eigens demokratisch gewählten Regierung in einem westlichen Land, angegriffen, wird Schritt für Schritt das Sprachrohr der Medien sabotiert. Menschen, die womöglich nicht sehr medienaffin sind, werden dann, sobald sie sich plötzlich nicht mehr sicher sind, was denn nun stimmt, an dem obersten frei gewählten Haupt orientieren, ihrem Präsidenten. Und das ist brandgefährlich.
Marina Weisband, die ich auch kritisch betrachte, schrieb gestern einen schlauen Kommentar auf ihrer Facebook-Seite. „Es scheint lustig und erbärmlich, wie Trumps Pressesprecher über etwas lügt, das alle eindeutig mit eigenen Augen widerlegen können. Aber dieses Lügen über Offensichtliches hat System." Tatsächlich - Russland, die Sowjetunion, Nordkorea. Sie alle bedienen sich an diesem System. Wir kreiieren unsere eigene Wahrheit. Die Medien lügen.
Wenn wir alle wissen, dass die Erde rund ist, jemand anderes jedoch behauptet, sie sei eine Scheibe, will er keinesfalls, dass wir ihm glauben. Sein Ziel ist es vielmehr, dass es plötzlich heißt: Das ist deine Meinung, ich habe meine. Welche nun objektiv stimmt, weiß irgendwann niemand mehr - oder besser gesagt: Die Argumentation verläuft irgendwann ins Nichts. Denn was lässt sich gegen „Das ist meine Meinung, du hast deine" groß sagen. Oder wie Marina Weisband sagt: „So legitimiert man das offensichtlich Falsche." Wird heute über die Menge der Menschen bei Trumps Amtseinführung gelogen, sind es morgen die Menschen, denen man abspricht, Teil dieser Gesellschaft zu sein.
Wie schnell so eine Diskussion aus dem Ruder laufen kann, zeigt - und das ist tatsächlich Zufall - eine Folge von Friends, in der Phoebe und Ross über die Evolution diskutieren.
Am Ende bleibt dem Wissenschaftler Ross aufgrund Phoebes zahlreicher Argumente und „Ich glaube nicht daran" nur übrig auf ihre These zu sagen: „It might be a possibility." Er, der den Fakt der Evolution für unumstößlich hält, knickt ein.
Mehr denn je ist es also für uns Medien, genauso wie für uns als Gesellschaft wichtig, dass wir Fakten weiterhin Fakten sein lassen. Dass wir uns allen gegenüber bestätigen, dass das, was derzeit in Amerika, aber auch in anderen Ländern, passiert, Lügen sind. Wir müssen - wie Weisband so wunderbar sagt - weiterhin unseren Augen vertrauen können. Der Himmel ist blau. Nicht grün, nicht gelb, nicht lila. „Es ist wichtig, bestimmte Einigungen der Gesellschaft nicht in Frage zu stellen."
Tatsächlich ist es nun auch an uns, Fakten zu prüfen, Medien weiterhin kritisch zu sehen, dennoch froh zu sein, dass wir eine offene Medienlandschaft haben, die mitunter auf Tatsachenberichterstattung beruht. In der freie Meinungen geäußert werden dürfen und reflektiert wird.
Wer meint „Sowas passiert uns doch eh nicht." ist naiv. Heute sprechen wir bereits von Lügenpresse, die AfD lädt die Medienberichterstatter aus offiziellen Veranstaltungen aus. Morgen sind es „neue alternative Fakten", die „endlich" geschaffen werden. Während wir noch über das neue Wort lachen, sind es andere, die plötzlich verunsichert sind, die aus jahrelangem Ärger über Politik und Medien ihre Infos von neuen Glaubensvertretern beziehen. Sind es Menschen, die sowieso nichts mehr glauben, Fake News verbreiten und somit ihre eigene Wahrheit kreiieren.
Wir sind längst mittendrin.