Deutsch pauken für ein offizielles Sprachdiplom
" Englisch ist der VW unter den Fremdsprachen, Deutsch der Rolls Royce." Das konstatierte kürzlich eine polnische Tageszeitung. Der Grund: immer mehr Kinder und Jugendliche östlich der Elbe lernen Deutsch. Insgesamt gut zwei Millionen Polen beherrschen die Sprache. Mehr als in jedem anderen Land der Welt. Jahrelang plagen sie sich mit Umlauten und unregelmäßigen Verbformen herum. Gerade für die Jungen ist das Ziel klar: Erst ein offizielles Sprachdiplom, dann Studium und Karriere in Deutschland.
Bilinguale Klassen im polnischen RadomMarkenartikel kommen häufig vor, wenn Agnieszka Sumińska-Sadal mit ihrer elften Klasse über Deutschland spricht. Und das tut sie täglich. Die 15 Schüler gehören zu einer von zwei bilingualen Klassen am Kochanowski-Gymansium in Radom, etwa 100 Kilometer südlich von Warschau. Sechs Stunden pro Woche pauken die Jugendlichen die Feinheiten der schwierigen Nachbarsprache. Auch der Unterricht in Geografie, Sozialkunde und Wirtschaft findet auf Deutsch statt.
Am Ende steht das Deutsche Sprachdiplom, kurz DSD, erklärt Agnieszka Sumińska-Sadal: " Diese DSD-Prüfung ist für sie ein Ziel. Und sechs Jahre lang haben sie dieses Ziel vor Augen. Und das gibt enorme Chancen, die sie hier in Polen nicht finden."
Die Chancen heißen Studium und Karriere im reichen Nachbarland. Die stellt sich auch der siebzehnjährige Wojciech Grabowski vor: " Ich wollte in Deutschland studieren. Also die Studiumsmöglichkeiten sind viel besser als zum Beispiel in Polen. Auch die Arbeitsmöglichkeiten scheinen mir viel besser zu sein, wenn ich zum Beispiel Ökonomie studieren will. Also die ökonomischen Wissenschaften."
Jahrzehntelang gingen gut ausgebildete Polen dafür in die USA oder nach England. Die waren spannender und galten als liberaler als die Nazi-Nachbarn mit ihren Polenwitzen. Zu denen zog es meist die weniger gebildeten Auswanderer. Doch gerade unter jungen Polen hat sich das Deutschland-Bild mittlerweile gewandelt. So sieht auch Wojciech Grabowski vor allem Vorteile. "Erstens, all die Möglichkeiten, die Deutschland uns anbietet. Zweitens, die Ordnung die dort herrscht. Also, dass der ganze Staat so gut organisiert ist. Und dann auch die Toleranz."
Finalist bei "Jugend debattiert"Der Siebzehnjährige ist so etwas wie der Vorzeige-Schüler des Kochanowski-Gymnasiums. Sein fast perfektes Deutsch führt in regelmäßig zu Sprachwettbewerben. Demnächst tritt er beim internationalen Finale von " Jugend debattiert" an. Das Thema: die deutsche Flüchtlingspolitik. Dieser Blick über den Tellerrand ist auch Bestandteil des Unterrichts, erklärt Lehrerin Agnieszka Sumińska-Sadal. " Wir lesen sehr viel über Deutschland und über diese Themen. Und wir lesen und diskutieren stundenlang. Grammatik, das machen wir früher. Und dann nur Wortschatz und diese Thematiken."
Dazu gucken die Klassen gemeinsam deutsche Nachrichtensendungen, lesen Zeitung und besprechen Literaturklassiker: Goethe, Schiller, Hesse. Die Mühen lohnen sich. Bei den letzten DSD-Prüfungen erzielten die Schüler des Kochanowski-Gymnasiums die besten Ergebnisse im ganzen Land. Und der Sprachdrill hat sich längst bis nach Deutschland rumgesprochen, weiß Birgit Sekulski, Direktorin des Goethe-Instituts in Warschau. Immer häufiger erkundigten deutsche Manager bei ihr nach Deutsch sprechenden Abiturienten.
Für Wojciech und seine Mitschüler sind das gute Aussichten. Doch mit siebzehn steht die Ingenieurskarriere nicht immer im Vordergrund: " Ich lerne Deutsch, um dort studieren zu können und auch eine Zeit zu leben. Aber auch, um die Musik vollkommen genießen zu können: Rammstein, Saltatio Mortis und Eluvaitie. Das sind alles fantastische Bands aus Deutschland. Also Eluvaitie sind aus der Schweiz, aber die sprechen auch Deutsch."
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