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Entweihung von Kirchen: Warum es so schwer, ist Gotteshäuser anders zu nutzen

Kirchengemeinden haben zu viele Gotteshäuser. Die Zahl der Gläubigen sinkt, der Unterhalt ist teuer. Interessenten für die Immobilien gibt es, doch sie scheuen den sperrigen Vertragspartner und seine langsamen Prozesse.

Mehr als eine Viertelstunde vor Gottesdienstbeginn ist die Kirche St. Joseph in Osterwieck im Landkreis Harz fast leer. Nur eine Gruppe älterer Frauen sitzt ruhig auf den Holzbänken. Neben ihnen steht Pfarrer Stefan Hansch, ein Mann mit randloser Brille und Glatze. Der 52-Jährige redet mit ihnen. Später sagt er: »Für sie ist das besonders emotional.«

Der Grund: Heute ist der letzte Gottesdienst in der Backsteinkirche – nach mehr als 130 Jahren. Angesprochen darauf sagt eine der Frauen, sie sei »ganz dolle traurig«. Die 84-Jährige habe hier 1948 Kommunion gefeiert, später dann die Firmung und geheiratet habe sie hier auch. Sie war dabei, als sich in der Kirche Widerstand gegen die DDR-Führung organisierte. Während der Messe wischen sich ihre Sitznachbarinnen mit Taschentüchern Tränen aus dem Gesicht.

Was an diesem Novembertag in Osterwieck passiert, nennt die katholische Kirche Profanierung, also so eine Art Entweihung. Die Kirche wird für nichtreligiöse Zwecke freigegeben. Etwa, weil die Kirche baufällig ist oder die Gläubigen ausbleiben, weil das Geld zur Erhaltung fehlt oder Gemeinden zusammengelegt wurden. Das Prozedere wirkt bürokratisch. Für die ortsansässigen Gläubigen ist es so emotional wie eine Beerdigung…
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