Florian Eckl

Investigativer Reporter | Bayerischer Rundfunk, München

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Gesundheitsämter: Weniger Personal als in dritter Corona-Welle

Die Corona-Neuinfektionen in Bayern erreichen immer neue Höchststände. Trotzdem hatten viele Gesundheitsämter zuletzt weniger Personal als im Frühjahr. Viele Landratsämter wollen nun rasch aufstocken - aber das ist gar nicht so einfach.

Auf Dauer kann man so nicht arbeiten, findet Michael Müller, der eigentlich anders heißt. Er hat heute wieder keine Pause gemacht, er ist müde. Michael arbeitet in einem Gesundheitsamt in Mittelfranken. "Wir haben heute so viele neue Erstmeldungen bekommen, wir arbeiten aber immer noch die von letzter Woche ab. Und je mehr das werden, umso weiter rutscht das nach hinten." Bei der Kontaktnachverfolgung kommen seine Kollegen und er inzwischen kaum noch hinterher: "Eine Inzidenz von 150 konnten wir bei uns im Landkreis noch packen, mehr schaffen wir nicht - und mittlerweile sind wir da weit drüber."

Über die Hälfte der Gesundheitsämter mit weniger Personal

In vielen Gesundheitsämtern, auch dem von Michael Müller, waren zuletzt weniger Mitarbeiter im Einsatz als in der dritten Pandemiewelle. Und das, obwohl die Corona-Neuinfektionen in Bayern immer neue Höchststände erreichen. Das zeigt eine bayernweite BR-Umfrage zwischen dem 29. Oktober und dem 11. November.

36 der 66 teilnehmenden Gesundheitsämter gaben an, weniger Personal zur Verfügung zu haben als noch im Frühjahr. 30 Gesundheitsämter hatten zum Zeitpunkt der Umfrage gleich viel oder mehr Personal.

Viele dürften in den vergangenen Tagen aufgestockt haben: In 25 bayerischen Gesundheitsämtern hilft inzwischen die Bundeswehr. Außerdem haben die Ämter nach Informationen des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) in der Vorwoche 500 Personen eingestellt. Damit arbeiten nun 4.000 Mitarbeiter im Freistaat in der Kontaktnachverfolgung. Im Frühjahr waren es 4.800 - bei deutlich niedrigeren Fallzahlen.

Nachverfolgung der Infektionsketten verzögert

Selbst Landkreise mit einer besseren Personaldecke können die aktuellen Fallzahlen kaum bewältigen. Das zeigt das Beispiel Bad Tölz-Wolfratshausen: Hier beschäftigt das Gesundheitsamt inzwischen mehr Mitarbeiter als während der letzten Corona-Welle. Das sei in der aktuellen Situation aber "immer noch viel zu wenig", heißt es aus dem Landratsamt. Von den mehr als 1.600 Infizierten im Landkreis hat das Gesundheitsamt bis Donnerstag nur etwa 670 angerufen. Damit das schneller geht, bräuchte das Landratsamt nach eigenen Angaben 15 Vollzeitkräfte zusätzlich.

In Rottal-Inn, dem Landkreis mit Deutschlands höchster Inzidenz, sieht man sich personell eigentlich gut aufgestellt. Die Hälfte der Infizierten könne man innerhalb von 24 Stunden informieren, die andere Hälfte schaffe man am zweiten Tag. Bei den Kontaktpersonen sehe es aber schlechter aus, sagt Pressesprecher Mathias Kempf: "Jetzt hingen wir mal für vier, fünf Tage um ein paar Hundert Kontakte hinterher, die wir nicht gleich erreicht haben." Das wolle man in den nächsten Tagen aufholen. "Dann sind wir mit einem blauen Auge rausgekommen."

Weniger Hilfe aus anderen Abteilungen und Behörden

Hohe Fallzahlen kennt man auch im Landkreis Regen. Hier arbeiten weniger Mitarbeiter im Gesundheitsamt als noch während der letzten Pandemiewelle. "Vor allem bei der Kontaktnachverfolgung bräuchten wir mehr Personal", bestätigt ein Sprecher.

Im Vergleich zur letzten Pandemiewelle sei es allerdings deutlich schwieriger geworden, Mitarbeiter aus anderen Abteilungen oder Behörden einzusetzen. "Die anderen Bereiche sind ja diesmal nicht im Lockdown, haben ganz normalen Publikumsverkehr und müssen den Betrieb aufrechterhalten." Von diesem Problem berichten mehrere Landratsämter.

Schwierige Suche nach neuem Personal

Aus dem Gesundheitsministerium heißt es, man habe den zuständigen Bezirksregierungen "umfangreiche staatliche Haushaltsmittel" zur Verfügung gestellt, um zusätzliche Kräfte befristet einzustellen.

Dass das aber gar nicht so einfach ist, zeigt das Beispiel Bad Tölz-Wolfratshausen: "Es gestaltet sich immer schwieriger, adäquates Personal zu finden, das unter den Bedingungen und auch nur auf Zeit zu arbeiten bereit ist", so eine Sprecherin. Denn Kontaktnachverfolgung bedeutet in der Regel auch: Schichtarbeit, Überstunden und viel Frust auf der anderen Seite des Telefonhörers.

Kritik an Aufweichung der Kontaktnachverfolgung

Laut Robert Koch-Institut (RKI) müssen Kontaktpersonen nicht mehr vom Gesundheitsamt informiert werden. In Bayern ist es vielerorts üblich, dass Infizierte ihre engen Kontakte selbst informieren. Um die Arbeit zu bewältigen, konzentrieren sich die Sachbearbeiter inzwischen auf bestimmte Gruppen: Auf Haushaltsangehörige und auf Personen, die viele gefährdete Menschen anstecken könnten - etwa in Krankenhäusern oder Pflegeheimen.

"Das ist natürlich eine Arbeitsentlastung", betont Mathias Kempf aus dem Landkreis Rottal-Inn. Ohne diese Option wäre die Kontaktnachverfolgung bei einer Inzidenz von über 1.000 wie im Landkreis Rottal-Inn gar nicht mehr möglich. "Ich will aber nicht verhehlen, dass man natürlich nicht weiß, wie die Leute darauf reagieren und ob sie sich daran halten."

Michael, der Mitarbeiter eines mittelfränkischen Gesundheitsamts, sieht die Neuregelung kritisch - aus seiner Sicht lassen sich viele Infektionsketten so nicht mehr nachvollziehen. "Ehrlich, wir hoffen, dass sich viel weniger Kontaktpersonen bei uns melden, das ist die Idee dahinter, weil wir die Arbeit sonst nicht mehr schaffen. Das wird bei uns auch klar so kommuniziert." Offiziell, meint Michael, würde das aber keiner sagen.

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