Florian Eckl

Investigativer Reporter | Bayerischer Rundfunk, München

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Ob Bayern oder Bremen ist für Flüchtlinge ein großer Unterschied

Flüchtlinge, die zuvor mit einem Sonderzug angekommen waren, warten am Bahnhof in Schönefeld (Brandenburg), auf ihre Weiterfahrt zur Unterkunft mit Bussen Foto: dpa

670 Euro zahlt Wolfgang Schäuble für jeden Flüchtling - pro Monat. Diesen pauschalen Betrag erhalten die Länder bislang vom Bundesfinanzminister, damit sie die vielen Asylsuchenden mit Unterkunft und Verpflegung unterstützen.

Konkret bedeutet das: Wer als Flüchtling in Deutschland registriert wurde, erhält Unterkunft, Verpflegung, Hygieneartikel, Kleidung - der sogenannte "notwendige Bedarf", den die Asylbewerber zum Leben hier benötigen. Zusätzlich gibt es noch den "notwendigen persönlichen Bedarf", mit dem alle anderen persönlichen Bedürfnisse, etwa für Kommunikation und Freizeit, gedeckt werden sollen.

Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sollen alle diese Bedürfnisse von den Behörden möglichst mit Sachleistungen erfüllt werden. Es werden beispielsweise Betten gestellt, Lebensmittel übergeben und Zahnbürsten verteilt. Nur wenn der Aufwand für die Verwaltungen zu groß wird, soll auf Bargeld ausgewichen werden - dann bekommen die Asylbewerber für ihre persönlichen Bedürfnisse ein "Taschengeld". Ob Bargeld oder Sachleistungen ausgegeben werden, entscheidet aber jedes Bundesland eigenständig.

Dementsprechend unterschiedliche Modelle gibt es in den Ländern. Der "Standard" ist dabei ein Mix-Modell, welches beispielsweise in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Sachsen-Anhalt zum Zuge kommt. Die Länder stellen in den Erstaufnahmelagern Unterkunft, Verpflegung und Kleidung, dazu wird das "Taschengeld" bar ausgezahlt. Je nach Alter der Flüchtlinge liegt dieser Betrag zwischen 76 und 135 Euro, Ehepartner mit gemeinsamem Haushalt erhalten jeweils 122 Euro.

Nachdem die Flüchtlinge dann von den Erstaufnahmelagern in die Kommunen verteilt sind, wird dort größtenteils Bargeld ausgegeben und auf Sachleistungen verzichtet. In den meisten Einrichtungen seien Küchen vorhanden, weshalb die Flüchtlinge dann selbst kochen können. Dies kann aber wiederum jede Kommune für sich entscheiden.

In Bayern gibt es nur Sachleistungen

Konsequent nach dem im Gesetz empfohlenen Sachleistungsprinzip handelt hingegen Bayern. Neben den gewöhnlichen Sachleistungen wurden die Behörden angewiesen, auch die persönlichen Bedürfnisse nicht mit Geld zu decken. Stattdessen sollen den Flüchtlingen direkt Tickets für den ÖPNV, Telefonkarten oder der Internetzugang gewährt werden. So solle der Anreiz gemindert werden, wegen Bargeld nach Deutschland zu kommen.

Aus diesem Grund überprüfen auch andere Länder, inwiefern sie den "Taschengeld"-Betrag durch Sachleistungen ersetzen können. Während es in Berlin schon eine "Refugee Welcome Card" für den öffentlichen Nahverkehr gibt, prüfen Sachsen und Sachsen-Anhalt ebenfalls eine solche Möglichkeit.

Bayern hat jedoch den Vorteil, schon frühzeitig spezielle Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen in Bamberg und Manching eröffnet zu haben. Dort sei die Ausgabe von Sachleistungen für bereits abgelehnte Asylbewerber logistisch auch leichter durchzuführen als in weit verteilten Asylunterkünften auf dem Land. Aber auch in den Anschlussunterbringungen sollen die Behörden möglichst Sachleistungen verteilen.

Ähnlich wie Bayern handelt auch Brandenburg. Hier soll auch der "notwendige persönliche Bedarf" nicht als Bargeld ausgegeben werden. Erst wenn die Flüchtlinge verteilt sind, sollen vorrangig Geldleistungen gewährt werden. Das sogenannte Taschengeld bekommen die Flüchtlinge hingegen wieder in Form von Gutscheinen und Waren.

Bremen sieht Würde des Menschen verletzt

Bremen hingegen steht dem Sachleistungsprinzip sehr kritisch gegenüber. "Wir sehen dadurch die Würde der Flüchtlinge infrage gestellt", erklärt Bernd Schneider, Sprecher des Sozialsenates. Dabei ginge es um das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Mit Sachleistungen könne man dieses Grundrecht nach Bremens Auffassung nicht gewährleisten, weil die individuellen Bedürfnisse der Menschen zu unterschiedlich sind.

Diese Beispiele zeigen, wie unterschiedlich die einzelnen Bundesländer mit den Leistungen für Flüchtlinge umgehen. Eine Umfrage der "Welt" offenbart, wie groß die Unterschiede wirklich sind:

Baden-Württemberg: In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden Unterkunft, Verpflegung und Kleidung als Sachleistung gestellt. Auch notwendiger persönlicher Bedarf soll als Sachleistung gedeckt werden. In der anschließenden Unterkunft in den Städten und Landkreisen sollen vorrangig Geldleistungen gegeben werden. In Einzelfällen aufgrund von Besonderheiten können die Kommunen davon abweichen.

Bayern: In allen Erstaufnahmeeinrichtungen wird konsequent nach dem Sachleistungsprinzip gehandelt. Dies umfasst neben der Unterkunft und Verpflegung auch die Versorgung mit Kleidung durch die Kleiderkammer oder Gutscheine. Auch beim soziokulturellen Existenzminimum ("Taschengeld") wurden die Behörden angewiesen, möglichst vollständig auf Sachleistungen umzustellen, vor allem in den Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen. Sachleistungen betreffen beispielsweise die Bereiche Verkehr (Tickets für den ÖPNV), Kommunikation (Telefonkarten) und Freizeit (Internetzugang). Diese können anstelle des "Taschengeldes" zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren sollen auch in den Anschlussunterbringungen Sachleistungen gewährt werden.

Berlin: Flüchtlinge bekommen in Erstaufnahmelagern Sachleistungen und Taschengeld. In den ersten drei Monaten werden die Kosten für das Monatsticket für den ÖPNV ("Refugee Welcome Card") im Wert von 26 Euro von dieser Barleistung abgezogen. Nach dem Umzug in eine eigene Wohnung oder Gemeinschaftsunterkunft werden grundsätzlich Geldleistungen gewährt.

Brandenburg: In Erstaufnahmelagern wird der "notwendige Bedarf" mit Sachleistungen bedient, aber auch der "notwendige persönliche Bedarf" soll möglichst auf diese Weise gedeckt werden. Nach der Verteilung sind vorrangig Geldleistungen zu gewähren. In Gemeinschaftsunterkünften können aber auch Sachmittel ausgegeben werden. Dies liegt im Ermessen der zuständigen Behörden. Das Taschengeld bekommen die Flüchtlinge in Form von Gutscheinen und Sachleistungen.

Bremen: Unterbringung und Versorgung in den Erstaufnahmelagern fällt unter die Sachleistungen. Das Taschengeld wird in bar ausgezahlt. In Übergangswohnheimen der kommunalen Einrichtungen bekommen die Flüchtlinge die Leistungen zum Lebensunterhalt in bar ausgezahlt, weil alle Übergangseinrichtungen mit Küchen ausgestattet sind, in denen die Bewohner die eigenen Mahlzeiten zubereiten. Die Unterkunft ist hingegen eine Sachleistung. Die vollständige Umstellung auf Geldleistungen erfolgt, sobald Flüchtlinge die Gemeinschaftsunterkünfte verlassen und eine eigene Wohnung beziehen.

Hamburg: Im Rahmen der Erstunterbringung erfolgt die Leistungserbringung nach dem Sachleistungsprinzip. Unterkunft und Verpflegung werden gestellt, ausgezahlt wird nur das "Taschengeld". Nach den Erstaufnahmelagern wird auf Geldbeträge umgestellt.

Hessen: Das "Taschengeld" wird laut Asylbewerberleistungsgesetz in bar ausgezahlt. Außerdem gibt es Sachleistungen in Form von Erstausstattung (Duschgel, Zahnbürste, Zahncreme, Tasse, Teller, Besteck u. a.) sowie kostenlose Unterkunft und Verpflegung. In den Kommunen erhalten die Flüchtlinge grundsätzlich Geldleistungen.

Mecklenburg-Vorpommern: Auch hier erhalten Flüchtlinge in Erstaufnahmelagern die Unterkunft, Verpflegung und den notwendigen Bedarf für den Haushalt in Form von Sachleistungen. Daneben wird das "Taschengeld" in bar ausgezahlt. Im Anschluss sind die Kommunen zuständig und können in Ausnahmefällen auch Sachleistungen und Gutscheine ausgeben.

Niedersachsen: In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden Sachleistungen und das Taschengeld in bar gewährt. Nach der Erstaufnahme sind hierfür die Kommunen zuständig.

Nordrhein-Westfalen: Art und Umfang der Leistungen, die tatsächlich als Sachleistungen erbracht werden können, sind je nach Kommune unterschiedlich. Da der Verwaltungsaufwand zu groß wird, soll daneben weiterhin das "Taschengeld" bar an die Flüchtlinge übergeben werden.

Rheinland-Pfalz: Verpflegung, Unterkunft und Hygieneartikel werden in den Erstaufnahmelagern als Sachleistung ausgegeben. Daneben bekommen die Flüchtlinge ein monatliches Taschengeld von maximal 143 Euro, welches in wöchentlichen Raten ausgezahlt wird. Nach der Erstaufnahme obliegt die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge den Kommunen, diese können dann eigenständig entscheiden, ob sie Sach- oder Geldleistungen gewähren.

Saarland: In den Landesaufnahmeeinrichtungen erhalten die Flüchtlinge die gewöhnlichen Sachleistungen wie Unterkunft und Verpflegung. Dazu zahlt das Saarland auch das "Taschengeld" in bar aus, jedoch mit einem Abzug für Hygiene- und Körperpflegeartikel. In den Kommunen werden im Regelfall Geldleistungen ausgegeben.

Sachsen: Hier werden die Sachleistungen und das Taschengeld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgegeben. Momentan wird überprüft, inwiefern das Taschengeld durch Sachleistungen ersetzt werden kann. Hier plant Sachsen zunächst nur die Einführung einer Zeitkarte für den öffentlichen Nahverkehr. Im Kabinett wurde vereinbart, dass zunächst nur dieser Bereich weiterverfolgt wird und erst nach erfolgreicher Einführung weitere mögliche Anwendungsbereiche geprüft werden.

Sachsen-Anhalt: In den Erstaufnahmelagern erhalten die Asylbewerber weitestgehend Sachleistungen in Form von Unterkunft und Verpflegung. Dazu bekommen sie Taschengeld in bar ausbezahlt. Hierzu laufen ebenfalls wie in Sachsen Überprüfungen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang statt Bargeld Sachleistungen in Gestalt von Waren oder Gutscheinen erbracht werden können.

Schleswig-Holstein: Auch in Schleswig-Holstein werden in den Erstaufnahmelagern sowohl Sachleistungen in Form von Unterkunft und Verpflegung gewährt als auch das "Taschengeld".

Thüringen: Neben einem monatlichen Taschengeld erhalten die Flüchtlinge in Erstaufnahmelagern vorwiegend Sachleistungen. Nach den Erstaufnahmelagern liegt es im Ermessen der Kommunen, ob Sachleistungen ausgegeben werden.

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