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Ungarn: Regierung warnt vor LGBTQ-Kinderbuch

Ein lesbisches Aschenputtel, ein schwarzes Schneewittchen und ein schwuler Prinz. Das ist die Welt des Kinderbuchs "Märchenland für alle" ("Meseország mindenkié"). Anders als traditionelle Märchengeschichten will es auch Minderheiten und gesellschaftliche Randgruppen abbilden. Doch der rechtsnationalistischen Orbán-Regierung ist das Buch ein Dorn im Auge. Sie will es nun mit einem Warnhinweis versehen. Die Käufer würden getäuscht, erklärte das Regierungsbüro der Hauptstadt Budapest vor einer Woche (19.1.2020). "Das Buch wird dem Titel und dem Einband entsprechend als Kinderbuch verkauft, aber es wird nicht gesagt, dass die Märchen Motive zeigen, die von den traditionellen Geschlechterrollen abweichen", so die Regierungsbehörde. Gleichzeitig verpflichtete sie den Herausgeber des Buches, den Lesben-Verband Labrisz, jegliche Exemplare von "Märchenland für alle" mit einem entsprechenden Warnhinweis zu versehen. Labrisz bezeichnete den Erlass in einer Stellungnahme als "diskriminierend" und "verfassungswidrig". Zudem erklärte sie, die Entscheidung gerichtlich anfechten zu wollen.

"Märchenland für alle" ist der Orbán-Regierung ein Dorn im Auge

Schon nachdem "Märchenland für alle" Ende September vergangenen Jahres erschienen war, hatte das Buch für Aufsehen gesorgt. Die stellvertretende Vorsitzende der rechtsradikalen Partei "Mi Hazánk", Dóra Dúró, hatte ein Exemplar vor laufenden Kameras geschreddert.

Wie auch Dúró, bezeichnete Kanzleramtsminister Gergely Gulyás das Werk als "homosexuelle Propaganda" und erklärte, er wolle rechtlich gegen Einrichtungen vorgehen, die das Buch zu Lehrzwecken benutzen. Auch Premierminister Viktor Orbán selbst hatte sich an der Debatte beteiligt. Er erklärte, Ungarn toleriere Homosexualität, forderte allerdings: "Lasst unsere Kinder in Ruhe".

Die politische Furore um das Buch hatte zur Folge, dass das Buch auf der ungarischen Bestsellerliste landete. Die ursprüngliche Auflage von 1500 war innerhalb von zwei Wochen vergriffen. Mittlerweile wurden rund 30.000 Exemplare verkauft. "Viele haben das Buch nicht für ihre Kinder gekauft, sondern aus Protest gegen die Regierung", sagt Dorottya Rédai, Koordinatorin des Buchprojekts, im DW-Gespräch. "Mit dem Kauf stellen sie sich symbolisch gegen Ausgrenzung, Sexismus und Homophobie in diesem Land."

LGBTQ wird zum Feindbild stilisiert

Anders als in Polen, wo die LGBTQ-Community schon lange zum Feindbild stilisiert wird, hatte die ungarische Regierung das Thema bislang selten aufgegriffen. Das scheint sich nun zu ändern.

[Auszug]
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