Das "Urban Arrow Family" verbindet gekonnt die Eigenschaften von Fahrrad und Auto. Und wirkt dabei auch noch entspannend auf Fahrer und Passagiere.
Nach ein paar Metern fällt schon die entscheidende Frage: Wie die Kinder denn das Urban Arrow Family im Vergleich zum Yuba Mundo finden, bei dem sie vor einigen Wochen auf einer langen Rückbank hinter dem Fahrer saßen. Die ältere Tochter dreht sich in der Box auf ihrer Sitzbank um und sagt: "Besser! Weil ich da nicht auf deinen Popo schauen muss, Papa!" Womit der Unterschied zwischen den unterschiedlichen Lastenrad-Konzepten schon auf den Punkt gebracht wäre.
Das erste Rad in unserer Testreihe war ein Fahrrad-Kombi mit einem Gepäckkorb vor der Lenkstange und viel Platz hinter dem Fahrersattel. Das Urban Arrow aus Amsterdam ist dagegen ein sogenanntes Long John, das heißt: Vorne sitzt ein kleines Laufrad, hinten eine großes. Dazwischen ist eine längliche Box platziert, die sich variabel konfigurieren lässt. In der Variante "Family" gibt es sie mit einer Sitzbank und zwei Dreipunktgurten, gegen Aufpreis ist auch eine zweite Bank (179 Euro) oder ein Adapter für eine Babyschale (199 Euro) erhältlich. Die Kinder sitzen in der Box direkt vor der Lenkstange auf Höhe der Pedale. Das hat den Vorteil, dass der Vater sich mit den Töchtern besser unterhalten kann und diese mehr sehen - weil sie eben nicht auf den Hintern des Fahrers schauen, wie bei einem Kombi-Rad oder einem Anhänger.
Diese Konstruktion fährt sich allerdings etwas anders als ein normales Fahrrad. Der Mitarbeiter, der das Urban Arrow liefert, gibt erst einmal eine kurze Einführung. Wichtig ist, den Sattel etwas niedriger als gewohnt einzustellen, sodass beide Füße im Sitzen fest auf dem Boden stehen können, um das Cargo Bike jederzeit halten zu können. Beim Absteigen beide Hände am Lenker lassen, mit dem äußeren Fuß den Ständer an der Unterseite der Ladebox herunterdrücken und dann das Fahrrad zurückziehen - schon steht es auf jedem festen Untergrund sicher. Zum Losfahren das Urban Arrow einfach nach vorne schieben und der Ständer klappt wieder ein - ähnlich wie bei einem Motorrad.
Mehr Unfallschutz durch Polypropylen
"Wir sitzen in einer Badewanne!", rufen die Kinder begeistert, als es losgeht. Woran die Box aus Polypropylen - dem gleichen Stoff, aus dem auch die Schalen von Fahrradhelmen gefertigt werden - tatsächlich erinnert. Das soll in Kombination mit dem Aluminiumrahmen für mehr Schutz bei einem Unfall sorgen. Die rollende Badewanne fährt sich aber besser. Durch den tiefen Schwerpunkt der Box liegt das Urban Arrow sicher auf der Straße. Wenngleich sich 2,60 Meter Länge und das Gewicht von 51 Kilogramm gerade beim Rangieren bemerkbar machen.
Besonders sportlich ist das Topmodell des Urban Arrow Family (ab 5390 Euro) trotz des neuen Cargo Line Motors von Bosch mit 250 Watt und Scheibenbremsen allerdings nicht. Das Lastenrad lädt eher zum Cruisen ein. Der Akku mit 500 Wattstunden sitzt unten am Lenkrohr, gegen Aufpreis gibt es einen zweiten Energiespeicher, der die Reichweite verdoppelt. Geschaltet wird stufenlos, was reibungslos funktioniert. Mit den jeweiligen Abstufungen des Motors von Eco bis Sport geht es zügig voran, allzu rasant ist die Beschleunigung allerdings nie. Stattdessen wünscht man sich manchmal sogar etwas mehr Schub. Wie zum Beispiel beim Sonntagsausflug nach Bergkirchen westlich von München. Hier ist der Name Programm. Die lange Steigung der Hauptstraße fordert dem Motor alles ab und das Lastenrad schiebt sich samt Fahrer und zwei Kindern nur langsam voran. Doch am Ende erreicht das Urban Arrow die Kirche auf dem Hügel. Ganz im Gegensatz zur keuchenden Ehefrau auf ihrem unmotorisierten Rad, die nach der Hälfte aufgibt und lieber schiebt.
Einkaufen mit den Kindern? Kein Problem
Insgesamt beweist sich das Urban Arrow Family in den zwei Wochen des Tests als universaler Autoersatz. Rasen mähen und schnell das Gras entsorgen? Einfach zwei Säcke in die Schale des Lastenrads stellen und entspannt an der Autoschlange vorbei in den Wertstoffhof einbiegen. Einkaufen mit den Kindern? Kein Problem, vor der Sitzbank ist genügend Platz für Taschen. Wird mehr Stauraum benötigt, bleiben die Töchter zu Hause. Ohne Sitzbank passen zwei Getränkekisten auf den Boden. Damit die nicht herumrutschen, gibt es eine Gummimatte gegen Aufpreis (49 Euro). Das beliebteste Zubehör bleibt aber der Regenschutz (319 Euro), der sich einfach in die Öffnungen des Metallrahmens einstecken lässt und sich wie ein Zelt über die Box spannt. Es gibt sogar einen Poncho (99 Euro), der sich daran befestigen lässt, mit dem der Fahrer trocken bleiben soll.
Das Angenehmste am Lastenrad ist aber, dass das Fahren damit so entspannend ist. Die Kinder legen schon nach einigen Tagen die Ellbogen auf den Rand der Box, Passanten winken freundlich. Einer ruft sogar: "Hey, Urban Arrow!", als das Cargo Bike im Kreisel an ihm vorbeigleitet. Im Auto passiert einem das eher selten. Da fällt der Name der Marke meist kombiniert mit einem Schimpfwort und wenig schmeichelhaften Handgesten. "Warum fahren die Menschen bei dem schönen Wetter mit dem Auto, das Fahrrad ist doch viel lustiger!", sagt die Tochter irgendwann von ihrer Sitzbank aus. Ja, warum eigentlich? Nach zwei Wochen mit dem Urban Arrow weiß das der Vater auch nicht mehr so genau.