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Porsche 911 RS 2.7: Nur 500 Männer werden ihn fahren

Das Image von Autos ist zurzeit nicht das beste. Doch Claudia Kunkel kann nicht anders: Sie liebt schnelle und schöne Sportwagen. Und besitzt einen ganz besonderen Porsche


"Nicht erschrecken", sagt Claudia Kunkel, als sie den Schlüssel dreht. Es rappelt und klappert, beißender Benzinduft zieht in die Fahrerkabine, der Motor startet dröhnend, in einer Lautstärke, die es heute in den hermetisch abgeriegelten Wohlfühloasen, die wir Autos nennen, kaum noch gibt. Ein Radio? Fehlanzeige. Es wäre eh nicht zu hören. Kunkel beschleunigt, holpert über ein Schlagloch. Sie lacht laut auf. "Sehr direkt, oder?" Ohne Zweifel, das ist er, der Porsche 911 RS 2.7, Baujahr 1973. Dazu: eng, die Knie stoßen ständig gegen die Armaturen, wer groß ist, zieht automatisch den Kopf ein und das Lenkrad reibt über die Oberschenkel. Trotzdem sagt die Beraterin bei einer Headhunter-Agentur im Taunus: "Das Auto ist der Wahnsinn."


Die erste Baureihe des RS ist für viele Porsche-Connaisseure der ultimative Sportwagen aus Zuffenhausen. Das Blech an den Karosserieteilen ist besonders dünn, die Scheiben ebenso, es gibt keinen Unterbodenschutz, weniger Dämmstoff und nur primitive Türverkleidungen. Ein echter Rennwagen eben. Für diesen Einsatz war der Sportwagen ursprünglich konzipiert, nur 500 wollte Porsche bauen, warum sollte schließlich jemand mehr Geld für ein Auto zahlen, das unbequemer ist und weniger Ausstattung besitzt? Die Geschäftsleitung von Porsche täuschte sich. 1580 Porsche 911 RS 2.7 wurden es schließlich. Auf Auktionen kosten sie heute 500 000 Euro und mehr. Für Claudia Kunkel ist er das Ende einer langen Auto-Reise. Ferraris, Lamborghinis, das alles reizt sie nicht. "Wenn Sie richtig Gas geben wollen, ist der perfekt", sagt sie.


Ihre Leidenschaft für Autos beginnt früh. Als junge Frau spaziert sie mit ihrem damaligen Freund an einem 911er vorbei. Der sagt: "Wenn ich die Wahl zwischen solch einem Auto und einer Eigentumswohnung hätte, würde ich das Auto nehmen." Ein Satz, der sich nachhaltig in ihre Erinnerung brennt. Als Studentin kauft sie sich den ersten Oldtimer. Ein Siata Spring aus dem Neckermann-Katalog. Viel Spaß hat sie mit dem italienischen Cabrio nicht: "Wir haben jedes Wochenende auf dem Abschleppwagen verbracht." Danach folgen unter anderem ein Mercedes 190, ein Jaguar XK 140 Drophead Coupé und ein Porsche 356. Kunkel fährt Oldtimer-Rallyes, besucht Treffen, ein Großteil ihrer Freizeit dreht sich um Autos. "Ich bin ein total freiheitsliebender Mensch", sagt sie. Autofahren, das ist für sie Freiheit.


Ihr erster Porsche 911 ist ihr Dienstwagen. Als sie ihn im Werk in Zuffenhausen abholt, ist das "einer der bewegendsten Momente in meinem Leben", sagt Kunkel. "Und ich musste das Auto nicht heiraten, nicht erben, ich habe es mir erarbeitet." 40 000 Kilometer fährt sie mit dem Sportwagen jedes Jahr, sie sitzt lieber in ihrem Porsche als in Bus und Bahn. Der sei aber "sehr kultiviert". Ein modernes Auto eben, das auch unerfahrene Fahrer sicher steuern können. Ganz im Gegensatz zum RS.


"Das Auto geht an die Claudia"

Claudia Kunkel kommt 2014 über Beziehungen zu dem seltenen Porsche. Ein Händler in den USA soll drei klassische 911er auf dem Hof stehen haben. Sie schreibt ihm und erhält ein Bild aus der Vogelperspektive zurück, auf dem sie nichts erkennen kann. Mit dem Ausdruck in der Hand geht sie zum Restaurateur ihres Vertrauens, der winkt ab: verbastelt, schlechter Zustand, die falschen Modelle. Er sieht aber unten in der Mail, dass sie auch an einem RS interessiert sei. "Wer ist das nicht?", sagt Kunkel. "Ich hab seit zwei Tagen einen", entgegnet der Mechaniker. Doch es gibt bereits eine lange Warteliste.

Den Ausschlag gibt die Frau des Restaurateurs. Sie erinnert sich an den Slogan, mit dem Porsche in den Siebzigerjahren für den Sportwagen warb: "Nur 500 Männer werden ihn fahren". Sie entscheidet: "Das Auto geht an die Claudia." Die grinst heute immer noch, wenn sie daran denkt. Quasi ein Akt von Solidarität unter Frauen in einer von Männern dominierten Szene. 


Denn natürlich ist Claudia Kunkel bewusst, dass sie eine Ausnahme ist. Zuletzt nahm sie zusammen mit dem ehemaligen Rallye-Weltmeister Christian Geistdörfer an der Mille Miglia teil. Da kommen auf 450 Autos gerade einmal fünf oder sechs mit Frauen, erklärt sie. Zwischen denen herrsche zwar ein "toller Zusammenhalt", mehr aber auch nicht. "Nur weil man weiblich ist, ist das keine Klammer", sagt sie. Klar gebe es Vorurteile, doch die meisten Männer freuen sich, dass da mal "eine charmante Frau dabei ist", die ihre Passion teilt.


Ein Auto als Familienmitglied

Dass der seltene RS bei Kunkel gut aufgehoben ist, steht außer Frage. In ihrem Büro stapeln sich Porsche-Devotionalien, Abzeichen, Bücher, Bilder. Es ist nicht zu übersehen: Kunkel ist eine Auto-Fan durch und durch. Das mag in der öffentlichen Wahrnehmung gerade eine unbeliebte Meinung sein, doch die Porsche-Fahrerin steht zu ihren Ansichten. Der Forderung, das Auto stehen zu lassen, entgegnet sie: "Das ist einfach für Menschen, die in der Stadt wohnen. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen." Dort gebe es für viele gar keine Alternativen zum eigenen Pkw.


Für Elektroautos kann sie sich genausowenig begeistern. Sie nennt sie "Distanzüberwindungsgeräte". Lautlos fahren reizt sie nicht: "Der Sound ist doch das Tolle!", sagt sie. Wie zur Bestätigung bollert der RS los. "Sehen Sie, der Klang ist schon super! Und wenn der richtig heiß ist, kommt aus dem Auspuff Feuer." Dass sie ein Tempolimit auf Autobahnen ablehnt, ist als zweifache Porsche-Besitzerin keine Überraschung. Das heißt aber nicht, dass sie uneinsichtig wäre, wenn eines Tages eine allgemeine Beschränkung kommt: "Ich werde heulen, aber dann fahre ich 130", seufzt sie, während ihre blauen Lederhandschuhe das Lenkrad des RS umschließen. Sie schaltet, gibt noch einmal Gas, das ganze Cockpit vibriert: "Es bleiben mir ja die Rennstrecken."

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