Lucas Cordalis schaut zur Seite und sagt: "Mir war klar, dass ich meine Privatsphäre an der Toilettentür abgegeben habe." Womit er direkt in der ersten Folge der zweiten Staffel von "Global Gladiators" nicht nur das Konzept der Sendung, sondern gleich noch sein eigenes Leben als sogenannter C-Promi zusammengefasst hat.
A-, B- und C-Promi, das sind Begriffe, die verstärkt in den letzten zehn Jahren in Deutschland aufgekommen sind. Eigentlich gab es einmal ein unumstößliches Gesetz: Deutschland hat keine Stars. Thomas Gottschalk, Til Schweiger, okay, aber danach kam lange nichts. Aus heutiger Sicht ist es ein Rätsel, wie all die Boulevard-Magazine über eine Dekade ihre Titelseiten füllen konnten. Das hat sich mittlerweile dramatisch verändert. Reality- und Casting-Shows, YouTuber und Instagram-Models verzerren den Begriff "prominent" bis zur Unkenntlichkeit. Jeder der eine gewisse Öffentlichkeit erreicht, egal wie klein oder groß sie ist, gilt als Star. Oder möchte zumindest einer sein.
Schuld daran ist auch das Fernsehen, das in den letzten Jahren eine unüberschaubare Zahl an Buchstaben-Prominenten erschuf und sie auf die Zuschauer losließ. Die Verwertungskette ist einfach. Shows wie "Deutschland sucht den Superstar", "Das Supertalent", "Der Bachelor" oder "Big Brother" bauen durch maximale Medien-Präsenz Normalos (sofern sie es denn je waren) zu Pseudo-Promis auf. "Let's Dance", "Das perfekte Promi Dinner", "Das Sommerhaus der Stars" und ähnliche Formate erhalten den Status. Und wenn die neuen "Prominenten" zu nerven beginnen, landen sie am Schluss der kurzen Karriere bei den anderen Vergessenen, die zumindest irgendwann einmal etwas geleistet haben: im Dschungelcamp. Nur: Das System funktioniert nicht mehr. Kein "Star" verschwindet. Niemals. Er zieht einfach in die nächste Show weiter. (Siehe hierzu auch unser Porträt von Katja Krasavice, "Generation Sex")
Zum Beispiel "Global Gladiators" auf ProSieben. Natürlich liebäugelt das Format mit den sogenannten "Physical Gameshows", die im Zuge des überraschenden Erfolges von "Ninja Warrior Germany" als Nachahmer überall im TV auftauchen. Also Fernsehsendungen, in denen die Kandidaten extreme körperliche Aufgaben erfüllen müssen. Doch letzten Endes ist "Global Gladiators" nur eine weitere Kopie des Dschungelcamps, wo sich Stars durch Isolierung, Kameraüberwachung und grenzwertige Aufgaben dusselig dreschen lassen. Statt im Kakerlakensarg zu liegen, schießt der Buchstaben-Promi eben an zwei Gummiseilen über einem Abhang in die Luft. Oder wie es Lucas Cordalis resümiert: "Ich weiß nicht, ob wir uns irgendwann so auf den Sack gehen, dass es die Hölle ist."
Die Antwort darauf ist natürlich: selbstverständlich. Das ist der Kern alle dieser Shows, von "Die Alm" bis "Promi Big Brother": Entblößung als Marketing-Masche. Oder erinnert sich noch irgendjemand an die ach so spektakulären Aufgaben aus Staffel eins von "Global Gladiators"? Nein, hängen geblieben - und unauslöschlich in den Top-Ergebnissen bei Google eingebrannt - sind die ausführlichen Lästereien von Oliver Pocher über seine Ex, den Tennisprofi Sabine Lisicki. Staffel zwei macht da keine Ausnahme. Denn natürlich hat ProSieben Promis engagiert, die vorhersehbare intime Details preisgeben.
Schauspielerin Jana Pallaske berichtet von ihrer einsamen Kindheit und der daraus resultierenden Magersucht. Miriam Höller, ehemalige Stuntfrau und Kandidatin bei "Germany's Next Topmodel", erzählt vom Tod ihres Mannes bei einem Hubschrauberabsturz. Die Kulmination dieser Masche ist Sabia Boulahrouz, deren Prominenz allein auf der Tatsache beruht, dass sie mit dem Mann ihrer besten Freundin liiert war: HSV-Profi Rafael van der Vaart und seine heutige Ex-Frau Sylvie Meis.
Boulahrouz ist laut eigener Aussage nur bei "Global Gladiators", um endlich "ihre Version" genau jener Geschichte zu erzählen. Dass die schon lange keinen mehr interessiert, ist ihr egal. Sie plaudert trotzdem munter drauf los und lästert gleich noch über die ehemals ach so gute Freundin Sylvie Meis, die ihren Brustkrebs nur aus PR-Gründen erfunden haben soll. So abseitig das klingen mag: Es funktioniert. Weil alles perfekt durchchoreografiert ist. Im Anschluss an "Global Gladiators" erzählt sie die gleiche Geschichte in ProSiebens hauseigenem Klatschmagazin "Red". Kurz darauf berichtet "Bild": "Bizarrer Krieg um Sylvies Brustkrebs". Und natürlich meldet sich auch noch die nie um Publicity verlegene Sylvie Meis selbst. Das Ergebnis: ein kräftiger Quotenaufschwung nach Folge eins. Schlechte PR ist immer auch gute PR.
Einen Ausweg aus dieser Spirale des C-Promitums im TV gibt es schon längst nicht mehr. Netflix mag zwar das neue Kino sein, das neue Fernsehen ist immer noch das alte. Stars in den Dschungel oder einen Container zu schicken, hat längst seinen Schrecken verloren. Mittlerweile streiten sie sich darum. Und wenn der Dschungel oder der "Global Gladiators"-Laster voll ist? Dann geht es eben weiter zu "Promi Big Brother" oder der dritten Auflage von "Fort Boyard", die gerade auf Sat.1 gestartet ist. Die Kandidaten? Natürlich "Prominente". Was auch sonst. Wir haben mittlerweile leider viel zu viele davon.
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