Felix Leitmeyer

Journalist | Journalistenschüler an der ems (rbb-getragen)

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BTS: K-Pop erobert die Börse - 7 Sänger aus Südkorea mit Milliarden-Aktie

Foto: NBCU Photo Bank via Getty Images

Die südkoreanische K-Pop-Band BTS ist die erste Musikgruppe, die einen der größten Rekorde der Beatles brach: Vor ihr hatte es seit 1996 niemand mehr geschafft, in weniger als einem Jahr drei Nummer-eins-Alben in den US-Charts zu platzieren. Und auch den Beatles-Rekord für vier Nummer-eins-Platten innerhalb von zwei Jahren brach sie.

Nun schreibt BTS erneut Geschichte: Statt um Musik geht es diesmal jedoch um Aktien.

Der Börsengang der Unterhaltungsagentur Big Hit Entertainment, die ihr Geld fast ausschließlich durch BTS verdient (97 Prozent im Jahr 2019), ist nämlich der größte in Südkorea seit drei Jahren. Im Jahr 2019 trug BTS fast 5 Milliarden US-Dollar (0,3 Prozent) zum südkoreanischen Bruttonationaleinkommen bei. Die Aktien-Nachfrage war schon vor einigen Tagen tausendmal größer als die Zahl der verfügbaren Anteilsscheine.

Am Donnerstag standen die Wertpapiere nun erstmals zum öffentlichen Verkauf. Der Preis schoss auf das Doppelte des Ausgabepreises. Lag dieser noch bei 135 000 Won (117 US-Dollar) pro Aktie, so schoss der Wert zum Börsen-Start auf 270 000 Won (235 US-Dollar) und stieg zwischenzeitlich sogar auf 351 000 Won (306 US-Dollar). Nach Handelsschluss lag er bei 258 000 Won (225 US-Dollar).

BILD sprach mit einem Korea-Experten, einem Ökonom und der Autorin eines Buches, das die Geschichte von BTS erzählt. Sie erklären die Hintergründe des Börsengangs von Big Hit Entertainment, das Phänomen BTS und den Erfolg der südkoreanischen K-Pop-Industrie.

Firma nach Handelsschluss 7,5 Milliarden Dollar wert

Etwa 20 Prozent der Anteile bot Big Hit den Anlegern an. Der Börsenwert der Firma lag zwischenzeitlich bei rund 11 Billionen Won (10 Milliarden US-Dollar). Nach Handelsschluss war die Firma 8,7 Billionen Won (7,5 Milliarden US-Dollar) wert. Geschäftsführer Bang Si-hyuk soll nun ein Vermögen von 3,5 Milliarden US-Dollar haben.

Die sieben BTS-Mitglieder bekommen jeweils mehr als 68 000 Aktien: Macht rund 15 Millionen US-Dollar für jeden von ihnen. Ihr Jahresgehalt soll bei über 50 Millionen US-Dollar liegen. In der K-Pop-Welt hat BTS einen besonderen Status. Andere Sängerinnen und Sänger in der Branche verdienen oft deutlich weniger.

► Die Band trägt viel zur südkoreanischen Wirtschaft bei. So wird geschätzt, dass allein die im August erschienene Single „Dynamite“ (100 Millionen YouTube-Klicks innerhalb von 24 Stunden) 1,4 Milliarden US-Dollar an Wirtschaftsaktivität auslöst: nicht nur durch die Musik, sondern auch durch den Verkauf von Fan-Artikeln, Essen, Kosmetik und Co. Das ermittelte eine Studie des koreanischen Ministeriums für Kultur, Sport und Tourismus.

Die Kurswerte beziehen sich auf den 15. Oktober 2020.

Zukunftspotenzial und Risiko der Aktie

Für Ökonom Professor Ralph Wrobel vom Ostasien-Zentrum der Hochschule Zwickau stellt Big Hit Entertainment „einen enormen Wert mit Zukunftspotenzial“ dar.

Allerdings: „Man muss auch die Risiken eines Unternehmens sehen, das auf nur wenigen populären Bands basiert.“

▶︎ Auch die New Yorker Journalistin und Autorin eines Buches über BTS, Tamar Herman, sagt zu BILD: „Die Aktienkurse für koreanische Unterhaltung schwanken häufig mit Erfolgen und Skandalen. Deshalb ist die Investition im Allgemeinen und auch aus dem Grund riskant, dass BTS vorwiegend der Umsatzbringer von Big Hit ist.“

Herman berichtet vordergründig über K-Pop-Themen – unter anderem für Forbes, MTV und Billboard. Im August veröffentlichte sie das illustrierte Buch „BTS: Blood, Sweat & Tears“ über die Geschichte der Band, das im Dezember auch auf Deutsch erscheint (24,99 Euro).

Sie ist jedoch zuversichtlich: „Das Unternehmen diversifiziert seine Künstler und expandiert, um in andere Unternehmen zu investieren und diese zu erwerben.“ Es habe gute Arbeit geleistet, um „sein geistiges Eigentum zu erweitern und intensiv marktfähige Inhalte zu erstellen.“

Ein weiteres Risiko für Anleger: In Südkorea müssen Männer für rund zwei Jahre einen Militärdienst leisten. So werden wohl auch die BTS-Mitglieder für einige Zeit ausfallen. Das könnte wirtschaftliche Folgen haben.

Nicht nur traditionelle Investoren kaufen Anteile

Herman erklärt, der Aktienkurs entspreche bisher den Erwartungen der Firma, „weil die Aktie des Unternehmens sowohl für traditionelle Anleger als auch für ARMY-Anleger von großem Interesse war.“ Zur Erklärung: Die weltweite Fanbase von BTS nennt sich ARMY.

▶︎ BTS-Fan Tallinka (22) aus Berlin sagt zu BILD, dass sie zwar selbst bisher keine Anteile gekauft hat, „da ich mich einfach zu wenig damit auskenne.“ Sie halte ein Investment in Big Hit Entertainment jedoch für eine gute Entscheidung: „Obwohl BTS ihr Aushängeschild ist, kann man zum Beispiel am Erfolg der Band TXT sehen, dass sie es schaffen, auch mit anderen Gruppen im Gespräch zu bleiben und diese gut zu vermarkten“, erklärt sie.

BTS: „Phänomen von besonderer Art“

Die Musik, Videos, Fanartikel und Co. der Bandmitglieder Jungkook, Jimin, V, J-Hope, Suga, Jin und RM gehören zu den größten Kultur-Exportschlagern Südkoreas. BTS zog Werbedeals mit einigen der weltweit größten Firmen an Land, darunter Samsung oder LG.

Sie singen meist auf Koreanisch, ergänzen die Strophen durch englische Texte, damit Fans weltweit mitsingen können. Jahrelang trainierten sie, damit alle Tanzschritte perfekt abgestimmt sind und sie jeden Ton auf den Punkt treffen. Mit Haaren und Kleidung schaffen sie Trends. Während andere K-Pop-Idole oft wenig Entscheidungsfreiheit haben, schreiben die BTS-Mitglieder an vielen Lieder selbst mit, sind an kreativen Prozessen beteiligt, äußern sich politisch.

Laut Autorin Herman liegt der Erfolg von BTS und Big Hit zudem an der Mission des Unternehmens und der Band: „Musik und Künstler für Heilung.“ Obwohl es viele gute K-Pop-Gruppen gebe, habe „das Engagement von BTS für dieses Ethos, die Nutzung ihres Ruhms und das digitale Engagement sie wirklich zu einem Phänomen von besonderer Art gemacht.“ Ein solches trete nur ein paar Mal in jeder Generation auf.

▶︎ Auch in Deutschland hat die Band viele Fans. Ursprünglich sollten in diesem Jahr gleich an zwei Tagen hintereinander Konzerte im Berliner Olympiastadion stattfinden. Wegen der Corona-Krise mussten die Veranstaltungen jedoch abgesagt werden.

Selbst die Pandemie soll die Erträge der Band kaum gesenkt haben. Sie veranstaltete virtuelle Konzerte im Netz, Zuschauer konnten Online-Tickets erwerben.

Die südkoreanische Musikbranche floriert

„Die wirtschaftliche Bedeutung der K-Pop-Industrie ist nicht zu unterschätzen“, sagt Korea-Experte Hannes Mosler, Professor für Ostasienstudien in Duisburg, im BILD-Gespräch.

Laut Wrobel setzt der Sektor circa 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr um. Im vergangenen Jahr hätten durch K-Pop über 170 000 Menschen einen Arbeitsplatz gefunden, so Mosler.

„Mit der steigenden Beliebtheit südkoreanischer Kulturprodukte, allen voran der K-Pop, steigt auch der wirtschaftliche Erfolg“, sagt Mosler. K-Pop-Fans auf der ganzen Welt lernen Koreanisch, bereisen Südkorea oder konsumieren südkoreanische Produkte.

Die „Koreanische Welle“

In den späten 90er-Jahren begann ein weitreichender Hype südkoreanischer Kultur in vielen Ländern der Welt. Dieser wurde „Hallyu“ getauft, was „Koreanische Welle“ bedeutet. Sie schwappte erst nach Ost- und später nach Südostasien, dann in die USA und nach Europa.

„Ab den 2010ern gab es dann kein Halten mehr und die Welle der K-Pop-Stars überrollte auch den letzten Winkel der Erde“, sagt Mosler. Die K-Pop-Industrie habe begonnen, „im Exportgeschäft einen signifikanten Anteil der Wirtschaft auszumachen“.

Möglich sei der K-Pop-Trend gewesen, da die Generation am Anfang der 1990er von Wohlstand und Wirtschaftswachstum geprägt war. „Damit waren die Voraussetzungen gegeben, Innovatives und Kreatives auszuprobieren“, sagt Mosler. Schon lange sei Tanz und Gesang in Südkorea „eine Art Volkssport: Es gibt an fast jeder Ecke ein Noraebang (Karaokebar) und zum Beispiel Fernsehformate wie ,Masked Singer' sind Importe aus Südkorea.“

Autorin Herman betont außerdem, wie entscheidend das Internet für die Entwicklung der Branche war. Besonders wichtig: „Mitte bis Ende der 00er Jahre konnte man sehen, dass YouTube Künstlern half, weltweites Aufsehen zu erlangen.“ Bis heute ist das Internet der Ort, an dem die K-Pop-Idole Millionen von Fans in nahezu allen Regionen der Erde erreichen – und immer neue hinzugewinnen.

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