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Reportage

Nur kurz, nur mal eben ...

Lars Helberg ist ein Mann von großer Beharrlichkeit. Er erklärt den Leuten auch dann noch, was sie falsch gemacht haben, wenn es so offensichtlich ist, dass jede Erklärung überflüssig scheint, aber doch nicht überflüssig ist, denn sonst hätte ja nicht schon wieder jemand etwas falsch gemacht. Sonst hätte zum Beispiel dieser Kleintransporter woanders geparkt, an dessen geöffnetem Fenster Helberg jetzt steht und mit dem Fahrer spricht. Da hinten hätte er halten können, sagt Helberg. Oder da vorne. "Aber das hier", sagt Helberg, "ist wahrlich die schlechteste Variante." Man muss ihm zustimmen. Der Kleintransporter steht mitten auf dem Radfahrstreifen der Caffamacherreihe in der Hamburger Innenstadt. Er steht zudem direkt gegenüber dem Polizeikommissariat 14, wo Helberg Dienst tut.

Eben musste ein alter Mann mit einem Stadtrad auf die Fahrbahn ausscheren. "Durch so was entstehen gefährliche Situationen", sagt Helberg. Der Fahrer sagt, er halte hier eigentlich immer. Nur kurz Post abliefern, im Bezirksamt gegenüber der Wache. Nur kurz, nur mal eben: Das kennt Helberg. Der Mann muss 70 Euro zahlen und bekommt einen Punkt in Flensburg, so ist das seit dem Inkrafttreten des neuen Bußgeldkatalogs Ende April. Als er wegfährt, wirft der Mann im Transporter noch einen Blick auf Helberg und sagt: "Der ist aber ernst."

Lars Helberg ist Angestellter im Polizeidienst, und wenn einer sich nicht an die Regeln hält, dann ärgert ihn das. Sich nicht an die Regeln halten, das bedeutet für ihn: keine Rücksicht nehmen. Er ärgert sich oft. Dabei ist es ja nichts Neues, was er jeden Tag erlebt: Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger, alle ringen um den knappen Platz auf der Straße. Wenn man ihn ein paar Stunden bei der Arbeit begleitet, dann staunt man aber doch. Darüber, wie viele Menschen das Einhalten der Regeln offenbar für optional halten. Und darüber, wie geduldig Helberg die Regeln erklärt.

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erschienen in DIE ZEIT 23/2020