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5 Gründe, warum du die WM in Katar boykottieren solltest

Mehr als die Hälfte der Welt verfolgte die Fußball-Weltmeisterschaften 2018. Der zu Recht aufgrund des Austragungsortes in der Kritik stehende Fußballverband FIFA rechnet bei der WM 2022 in Katar mit neuen Superlativen. Das Event soll alle Rekorde sprengen. Doch steht der WM-Gastgeber vor allem wegen der Menschenrechtslage sowie den Arbeitsbedingungen im Kreuzfeuer der Kritiker:innen. Letztlich gibt es aber noch viel mehr Gründe, die WM in Katar zu boykottieren. Wir stellen die 5 wichtigsten vor und erklären, wie du diese WM in Katar für FIFA zu einer unvergesslichen machen kannst.

Ein Großevent, das sogar sonst Fußballscheue nicht verpassen wollen - die Fußball-Weltmeisterschaft. Sport. Spannung. Und eine Vielzahl an Momenten zum Jubeln. Doch in diesem Jahr gibt es eigentlich recht wenig zu feiern, sieht man sich den Austragungsort näher an. Aus moralischer Sicht, aber auch in Hinblick auf die aktuelle Energiekrise ist die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ein Affront gegen die Menschenrechte, den Kampf gegen den Klimawandel und sogar den Sport. Wir erklären dir, warum.

1. Kritik am Stadionbau in Katar: Zahlreiche Tote und eine fatale Ökobilanz

Was jedem klar sein dürfte, ist, dass Katar keine Fußballnation ist. Um der lächerlichen Zahl an Zuseher:innen bei den Ligaspielen der Qatar Stars League öffentlichkeitswirksam entgegenzutreten, bezahlte die Liga die Zuseher:innen für das Kommen - darunter zahlreiche Gastarbeiter, wie der Guardian berichtete. Das Traurige daran: Sogar mit dieser Taktik überschritt man nicht maßgeblich die 1000 Zuseher:innen. Sieht man sich die Stadiongrößen mit 40.000 Plätze - und mehr - an, stellt sich bereits die legitime Frage, wer überhaupt nach der WM dorthin geht.

Sprich: Der Bau der Stadien wird bereits durch dieses Faktum ad absurdum geführt. Sieht man sich nun die Arbeitsbedingungen und die Zahl der Toten an, welche die Bauarbeiten an den neuen Stadien mit sich brachten, steht das ganze Projekt noch weniger im Verhältnis zum Mehrwert einer WM in Katar (den man sowieso vergeblich sucht). Der Bericht „In der Blüte ihres Lebens" von Amnesty International (Orig.: „IN THE PRIME OF THEIR LIVES ) legt eine Zahl von über 15.000 nicht-katarischen Arbeitskräften offen, die vor Ort starben. Das sind nur offizielle Zahlen.

In Hinblick auf die aktuelle Klimakrise spielt aber auch der Bau der Stadien als Kritikpunkt eine tragende Rolle. Wie bereits genannt, kommt es zukünftig mit Sicherheit nicht mal zu einer zehnprozentigen Auslastung. Zu den weiteren Lügen in Sachen Klimaneutralität und Kompensation kommen wir noch. Aber so viel sei gesagt: Katar stand noch nie für Energiesparmaßnahmen. Stichwort: Eine Eislaufbahn inmitten eines Einkaufszentrums. Eine Skihalle in Lusail ist zudem in Planung.

2. Die Pendelflüge: Hotelknappheit, Anreise und ein Hin und Her

Einerseits muss die fehlende Zahl an Fußball-Fans in Katar und den umliegenden Ländern erstmal kompensiert werden, um die Stadien zu füllen. Somit kommen Fans von weit her angereist. Die Anreise per Flugzeug ist meist die einzige Möglichkeit. Die Strecke von Wien nach Katar ist 5.200 Kilometer lang. Dies bedeutet einen CO₂-Ausstoß von ungefähr 1.100 kg pro Person. Zum Vergleich: Die jährliche Bilanz pro Kopf beträgt im Normalfalls „nur" das 11-fache im gesamten Jahr.

Ermittel mit dem CO2-Rechner von Quarks

Hinzu kommt aber, dass Katar für die zahlreichen Fans nicht genügen Hotelzimmer zu Verfügung stehen hat. Die einzige, inländische Ausweichmöglichkeit ist einerseits eine verhältnismäßig geringe Zahl an Zelten. Andererseits stehen die Nachbarländer als Herberge im Fokus. Das wiederum brächte Pendelflüge mit sich. Und die Ökobilanz von Flugzeugen kennen wir ja bereits.

3. Kritik am Hotelbau in Katar: Notwendig während der WM, danach nutzlos

Wie viele Menschen kennst du, die nach Katar fliegen, um Urlaub zu machen? Wir kennen niemanden. Laut Statista kam es im Jahr 2017 zu einer beachtlichen Hotel-Auslastung von 58 % in Katar. Im Vergleich: Das Bundesland Tirol hat eine mit Katar vergleichbare Größe. Dort lag 2017 die Auslastung im Schnitt bei 37,95 %. In Wien lag der Schnitt im Jahr 2017 bei 75,6 %. Somit liegt Katar im stabilen Mittelfeld. Das ändert sich jedoch mit den neu errichteten Hotels, die zu einer Aufteilung der Gesamtauslastung oder Geister-Hotels führen.

Dass der Bau vielfach auch seine Spuren an der Umwelt hinterlässt, müssen wir wohl kaum erwähnen. Das Baumaterial selbst, aber auch der Transport, sowie erneut die Gastarbeiter, die unter den Arbeitsbedingungen zu leiden haben, sind hier wohl genügend Kritikpunkte gegen die WM 2022 in Katar, um diesem Thema nicht wohlgesinnt gegenüberzustehen.

Side Fact: Homosexuelle und Angehörige der LGBTQIA+-Community erfahren in Katar - wie in allen muslimischen Ländern - massive Unterdrückung. Bis zu 7-jährige Haftstrafen oder gar die Todesstrafe warten dort auf Homosexuelle. LGBTQIA+-Zuseher:innen der WM in Katar treffen diese Gesetze zwar nicht, sie erfahren dennoch Diskriminierung bei der Hotelbuchung.

4. Das Greenwashing: Wie der Versuch der Recyclinglüge noch mehr Schaden anrichtet

Nachdem die WM in Katar bereits aufgrund zahlreicher anderer Faktoren vielfach in Kritik steht, versuchen sie natürlich zumindest den Nachhaltigkeitsfaktor auf ihre Seite zu ziehen. Aber das Thema Nachhaltigkeit verfehlen sie nicht nur in puncto Stadion- und Hotelbau. Die fragwürdige Strategie für das Nachhaltigkeit-Image und das Greenwashing haben letztlich sogar einen negativen Effekt.

Um die Klimaneutralität zu erreichen - was nur oberflächlich betrachtet gelingt -, pflanzte man unter anderem 679.000 Sträucher und 16.000 Bäume. Natürliche CO₂-Killer. Diese bewässert man mit „recyceltem Wasser". Klingt großartig. Bei genauerer Betrachtung ist es aber einfach nur Greenwashing. Denn das recycelte Wasser stammt aus riesigen Meerwasser-Entsalzungsanlagen, die ihre Energieversorgung durch fossilen Quellen beziehen. Zudem importierte Katar die „Zöglinge" aus Spanien, Thailand und China.

Was übrigens nach der WM in Katar mit diesen Pflanzen passiert, sagen die Verantwortlichen natürlich nicht.

Das Stadion 974 - ein Bauwerk aus alten Schiffscontainern. Das macht an Ab- und Aufbau des Stadions an einer anderen Stelle möglich. Dadurch füttern die Verantwortlichen die Öko-Kritiker:innen mit Gegenargumenten. Aber: Der Bau selbst hatte bereits eine verheerende Ökobilanz, der Weitertransport solcher Massen wird es ebenso haben.

5. Kritik an Klimaanlagen in Stadien: Ohne ist eine WM in Katar nicht möglich

Bis auf ein Stadion sind alle WM-Stadien in Katar mit Klimaanlagen ausgestattet. Ohne diese wäre es sportlich bei Spitzentemperaturen um die 50°Celsius nur schwer zu ertragen, ein Spiel auszurichten. Auch zum Schutz der Gesundheit der Zuseher:innen dürfte dies wohl oder übel notwendig sein. Als Argument gegen die negative Bilanz der Klimaanlagen nennen die Verantwortlichen vor Ort beziehungsweise auf den Stadien installierte Solarstrom-Anlagen. Gutes Argument - sofern der Strom direkt in die Klimaanlagen eingespeist werden würde.

Kleiner Side-Fact als Erinnerung: Wir stecken in einer Energiekrise.

Das sind die Klimaanlagen in den WM Stadien in Katar. Bitte vergesst nicht, daheim das Licht abzuschalten und überhaupt Strom zu sparen! pic.twitter.com/SOIsQwNFOX

- 🅾🅿🅰 🅷🅾🅼🅸🅴 (@Opa_Homie) August 4, 2022

Jedoch sieht es in der Praxis so aus, dass die Spiele erst abends stattfinden. Die Energiegewinnung geschieht jedoch klarerweise tagsüber. Somit bedarf es einer Speicherung des Stroms. Lithium-Ionen-Batterien in diese Größenordnung verschlimmern die Ökobilanz jedoch massiv. Also auch hier: Greenwashing. Der Kritik versuchen die FIFA und Katar jedoch mit PR und positiven Berichten entgegenzuwirken.

Fazit zu WM in Katar

Die Fußball-WM 2022 in Katar erntet zu Recht viel Kritik. Es gibt zahlreiche Punkte, die eine Ausrichtung einer Weltmeisterschaft an diesem Ort vollkommen absurd machen. Die FIFA ist aber bekanntlich eine wirtschaftliche Vereinigung, die sich selbst nicht an moralischen Maßstäben, sondern an finanziellen Erfolgen messen. Diese wird es bei genug Zuseher:innen auch geben. Eintritte, Übertragungsrechte, Merchandise - Einnahmequellen gibt es mehr als genug.

Umso wichtiger ist es, die WM 2022 in Katar nicht zu unterstützen. Dies tust du am besten, indem du die Übertragungen nicht live mitverfolgst, sondern bei großem Interesse nur auf die YouTube-Zusammenfassungen zurückgreifst. Außerdem solltest du auf Fan-Artikel verzichten. Und allem voran: fliege nicht nach Katar! Diese Weltmeisterschaft soll der FIFA gut im Gedächtnis bleiben. Aber nicht aufgrund ihres Erfolges.

Titelbild © Shutterstock

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