Wer hat mehr Selbstironie, Festlandbewohner oder Taiwaner?
Ich würde sagen, sie gleichen sich in etwa, denn wir sind beide kulturell chinesisch geprägt, und fühlen uns unwohl, wenn wir kritisiert werden.
Bei Ihren Stand-up-Auftritten sprechen Sie unter anderem über Ihr Leben als chinesische Austauschstudentin in Taiwan. Was ist so lustig daran, als Frau aus Shanghai in Taipeh zu leben?
Ich glaube, Taiwan ist der am wenigsten ideale Ort für einen Festlandchinesen, wenn man die Spannungen zwischen den beiden Orten bedenkt – es ist fast so, als hätte ich den schwierigsten Modus in einem Videospiel gewählt. Meine Liebes- und Hassbeziehung zu Taiwan und zu mir selbst ist interessant, schmerzhaft und auch: lustig.
Was ist das Schwierige daran?
Durch die politische Abneigung Taiwans gegenüber dem Festland rechtfertigt man hier Diskriminierung. Das äußert sich zum Beispiel daran, dass ich selbst im Alltag verspottet oder sogar verhöhnt werde. Zudem gibt auch einige diskriminierende Gesetze gegen Menschen vom Festland. Als Studenten vom Festland dürfen wir nicht arbeiten, keine Praktika machen, wir bekommen auch keine staatlichen Stipendien und keine Krankenversicherung. Wir sind von allen Arten von Arbeitsvisa nach unserem Abschluss ausgeschlossen, was bedeutet, dass es für Studenten vom Festland keine andere Möglichkeit gibt, in Taiwan zu bleiben, als einen Taiwaner zu heiraten.
Wie sind Sie überhaupt in Taiwan gelandet?
Ich wurde von einer guten Universität angenommen, also bin ich hin. Ich liebe diese Insel sehr. Sie ist fortschrittlich und konservativ, stark und zerbrechlich zugleich.
Bei ihren Auftritten spielen Sie mit dem Klischee der naiven chinesischen Frau, liefern aber zugleich ziemlich explizite Inhalte. Wie ist diese Bühnenpersönlichkeit zustande gekommen?
Ich glaube, die Rolle ist Teil meiner eigenen Persönlichkeit. Ein Teil von mir ist sehr mutig und unverblümt, aber es gibt auch einen Teil, der unbeholfen ist, ständig Angst hat und leicht von Dingen überfordert ist. Wenn ich auf der Bühne stehe, versuche ich diesen Teil von mir nicht zu kontrollieren, ja, ich lasse ihn sogar ein wenig die Kontrolle übernehmen. So stellte sich mit der Zeit heraus, dass der Kontrast zwischen meiner Bühnenpräsenz und den mutigen Witzen gut funktionierte, weil man nicht erwartet, dass ich mich auf diese Art und Weise äußern würde. Ich denke, dass der Charme des Auftretens auch darin liegt, dass man sich nicht auf eine bestimmte Art und Weise präsentieren muss, die den gesellschaftlichen Normen entspricht. Man kann diese seltsame, unbeholfene Person sein und man kann es übertreiben.
In ihrem Programm finden sich auch Witze über westliche Expats in Asien. Was sind die typische Charaktere, denen Sie da begegnen?
Ich möchte keine Gruppen verallgemeinern, aber ich bin schon sauer über einige weiße Männer, die hier ihre unverdienten Privilegien ohne Scham ausnutzen. In ihren Heimatländern scheinen sie nicht sehr begehrt zu sein, also kommen sie nach Asien und behandeln asiatische Frauen auf die respektloseste und schrecklichste Weise. Wenn man tiefer gräbt, stößt man auf weißes Herrendenken und Frauenfeindlichkeit und auch auf die Fetischisierung asiatischer Frauen. Und wenn ich schon nicht in der Lage bin, das systematisch zu ändern, so ist das Mindeste, was ich tun kann, mich dazu zu äußern. Wir sind keine Trophäen und kein Fetisch und wenn da keine Selbstwahrnehmung stattfindet, kann ich auf provokante und traumatisierende Weise nachhelfen.
Sie haben kürzlich einen Auftritt für die vor allem in den USA bekannte Komikerin Atsuko Okatsuka eröffnet. Wie empfinden Sie den Aufstieg asiatischer Comedians im Westen?
Sie war so bodenständig, und natürlich absolut komisch in ihrem einzigartigen Stil. Es ist schön, immer mehr asiatische Comedians zu sehen, denn das Klischee von Asiaten ist immer das von Strebern und Schüchternen, die ihre Stimme nicht erheben.
Was ist Ihr persönliches Tabu, wenn es um Witze geht?
Ich denke, man sollte über alles scherzen können, solange man es „richtig“ anstellt. Ich glaube, es gibt einen Unterschied zwischen einem Rassismus-Witz und einem Witz, der rassistisch ist. Aber man muss etwas riskieren und ausprobieren, damit man herausfindet, wo sich diese feine Linie befindet.
Was schlagen Sie vor, um den Konflikt in der Taiwan-Straße zu lösen?
Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht hier und würde Peniswitze erzählen.
Jamie Wang, Stand-up-Komikerin aus Shanghai, erzählt bei Ihren Auftritten entwaffnende Anekdoten über ihr Leben als Festlandchinesin in Taiwan. Derzeit macht sie ihren Masterabschluss in Philosophie an der National Taiwan University (NTU) in Taipeh.
Original: https://table.media/china/analyse/meine-hass-liebe-zu-taiwan-ist-sehr-lustig/