Fabian Peltsch

Journalist, Sinologe, Berlin/ Beijing

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Popo Fan: Dokumentarfilmer und LGBTQ-Aktivist

Noch heute kommen junge Menschen aus ganz China zu Popo Fan, um sich bei ihm zu bedanken: Ohne seinen Film "Mama Rainbow" hätten sie sich nie getraut, ihren Eltern die Wahrheit zu sagen. In seiner Kurzdoku hatte der im ostchinesischen Jiangsu geborene Filmemacher sechs Mütter porträtiert, deren Kinder gerade ihr Coming-out gewagt hatten. Homosexualität ist noch immer ein kontroverses Thema in China: Obwohl sie seit 1997 nicht mehr verboten ist, fühlen sich gleichgeschlechtlich liebende Menschen noch immer stigmatisiert.
Nicht wenige gehen Scheinehen ein, aus Angst, von der eigenen Familie verstoßen zu werden oder den Arbeitsplatz zu verlieren. Der Staat kehrt das Thema unter den Teppich. "Homosexuelle Beziehungen positiv in den Medien darzustellen ist in China Tabu", erklärt der 35-Jährige, der an der Beijing Film Academy studiert hat und mittlerweile in Berlin lebt. In "Mama Rainbow" siegt am Ende die Mutterliebe über die tief verankerten Ängste und Vorurteile. "Wir hoffen, mit diesen positiven Geschichten den Menschen in China Mut zuzusprechen", sagt Fan. "Die Botschaft an das Publikum lautet: Diese Mütter akzeptieren ihre Kinder wie sie sind, womöglich akzeptiert und unterstützt dich auch deine Mutter!"
Für seine Filme, die sich um Themen wie gleichgeschlechtliche Ehe ("New Beijing, New Marriage"), Transgender ("Be A Woman") und Geschlechterdiskriminierung ("The VaChina Monologues") drehen, erhielt Fan mehrere Preise, darunter den "Prism Award" des Hong Kong Lesbian and Gay Film Festival. In Peking organisierte er zehn Jahre lang unter dem Radar der Behörden das "Beijing Queer Film Festival". Obwohl seine Werke offiziell nicht in seiner Heimat gezeigt werden dürfen, ist er einer der bekanntesten LGBTQ-Aktivisten Chinas. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er keine Angst hat, die staatlich geduldete Homophobie öffentlich anzuprangern.
Nachdem "Mama Rainbow" 2015 von mehr als einer Million Nutzern angeklickt worden war, verschwand der Film plötzlich von chinesischen Streamingseiten wie "Tudou" und "Youku". Da er weder Sex noch Gewalt propagiert, und damit auch nicht gegen die Nutzungsbestimmungen verstieß, reichte Fan vor einem Pekinger Gericht Klage ein. Er wollte verstehen, gegen welches Gesetz er eigentlich verstoßen hatte. Das so rigide wie intransparente System so direkt herauszufordern, hatte sich noch kein schwuler chinesischer Künstler getraut. "Wir wurden in China dazu erzogen, die Finger von der Politik zu lassen, da das gefährlich sei", bekennt Fan, der sich monatelang durch alle Instanzen kämpfte.
Am Ende gewann er den Fall insofern, als die staatliche Zensurbehörde zugab, nie offiziell die Löschung des Films beantragt zu haben. Geändert hat das Eingeständnis nichts: Fans Werke sind noch immer nicht auf den Videoportalen des chinesischen Festlandes zu sehen. Wie der Staat weisen die Tech-Unternehmen jede Verantwortung von sich. "Das Problem ist, dass es keine klare Linie gibt, was erlaubt ist und was nicht. Die Zensur hängt von den jeweiligen Entscheidungsträgern ab. Wenn eine Person etwas mag, kommt man damit durch, aber wenn eine andere Person dagegen ist, kann ein Film verboten werden. Also versuchen die meisten Filmemacherinnen und Filmemacher, auf der sicheren Seite zu bleiben. Das tötet die Kreativität." Fabian Peltsch

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