Die Rapperin VAVA aus Shanghai wurde vom Major-Label Warner unter Vertrag genommen. Die 23-jährige steht für eine neue Generation selbstbewusster chinesischer Musiker mit großen Zielen und Nationalstolz im Herzen. Welchen Status Rap in der von Zensur geprägten Volksrepublik hat und ob chinesische Popkultur mit Künstlern wie VAVA zum globalen Mainstream werden kann, darüber gibt uns heute der Musikjournalist und Sinologe Fabian Peltsch Auskunft
Die Rapperin VAVA wurde von Warner Music gesignt. Das Major-Label möchte aus der 23-jährigen den ersten globalen Popstar aus China machen. Wer ist VAVA und warum bekommt sie derzeit so viel Aufmerksamkeit?
Vava ist tatsächlich gerade die große Hoffnungsträgerin des chinesischen Rap-Booms. Sie ist 23, aus der Provinz Sichuan, die heute in Schanghai lebt. Bekannt wurde sie durch die in China äußerst populäre Casting-Show „The Rap Of China“, wo sie 2017 als einzige weibliche Künstlerin in die Endrunde kam. Ihr HipHop ist gut gemacht sehr zeitgenössisch, mit Trap-Einfluss und Pop-Appeal, sie ist sehr stilbewusst, modelt für Designer wie Alexander Wang und weiß welche Trends international angesagt sind. Ihre Texte sind jugendfrei und unpolitisch, gleichzeitig aber auch sehr straight forward, zB wenn es um ihre geilen Rap-Skills geht. Manche nennen sie auch die „Rihanna von China“. Sie sagt selbst aber sehr offen, dass Rap in China sich weniger an den USA orientieren, sondern etwas eigenständigeres werden solle - Rap mit chinesischer Charakteristik sozusagen. Sie verwendet dafür zum Beispiel Samples aus der Peking-Oper oder den lokalen Dialekt ihrer Heimat Sichuan.
Ist Rap in China ein neues Phänomen?
Rap-Szenen gab es in Metropolen wie Peking und Chengdu schon seit den späten 90ern. Das waren aber so kleine Nischen, dass sie sich unter dem Radar bewegten. Das änderte sich dann schlagartig mit der eben erwähnten Sendung „The Rap Of China“. Die hat HipHop fast über Nacht in den Mainstream gepusht. Und wenn in China etwas schnell so groß wird, schalten sich die Kultur-und Medien-Behörden ein. Im Falle von Rap wurden dann die Texte auf Sex, Drogen und Gewalt untersucht. Anfang 2018 kamen die Verbote. Rapper, die in den Massenmedien präsent sein wollen, müssen seitdem einem strengen Führungszeugnis entsprechen, saubere Lyrics haben, und keine Skandale in der Biographie. Sogar Tattoos werden im Fernsehen weggepixelt. Gai und PG One, die beiden ersten Gewinner von Rap Of China verschwanden erstmal von der Bildfläche. Der eine machte bald ein Comeback, freestylte aber plötzlich über seine Liebe zum Mutterland. Der andere entschuldigte sich, dass die schwarze Kultur des US-HipHop ein schlechter Einfluss auf ihn gewesen sei. Das war schon schmerzhaft ignorant und anbiedernd. Gewirkt hat es trotzdem. HipHop ist auch geglättet noch immer ein Massenphänomen in China, in dem viel kommerzielles Potential steckt.
Sind solche Einschränkungen also der Preis, wenn man in China als Rapper Erfolg haben will? Darf man überhaupt in irgendeiner Weise kritisch sein oder gar politisch?
Man kann in China über seine schwere Kindheit rappen, über harte Lebensumstände. Man kann andere Rapper dissen oder philosophisch werden. Da geht einiges, völlig unangetastet von der Zensur. Chinas Rapper dürfen auch politisch sein, solange es nicht von der offiziellen Linie abweicht. Es gibt selbsternannte rote Rapper wie CD REV, die der Jugendliga der Partei nahestehen und gerade gegen die Proteste in Hongkong Stimmung machen. Und VAVA hat beispielsweise letzte Woche einen Post geteilt, der die Proteste in HK verdammt und sich auf die Seite der Hongkonger Polizei stellt. Den Post haben übrigens viele der bekannten Rapper in China geteilt, da ist also sicher auch Gruppenzwang und Karriere-Kalkül im Spiel.
Daneben versucht die Regierung seit einiger Zeit, sehr direkt selbst Rapmusik zu instrumentalisieren. Im Frühjahr hat die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua beispielsweise den Künstler Su Han verpflichtet, eine jährliche Sitzung des Nationalen Volkskongresses musikalisch anzuteasern. Der 23-jährige rappt da dann von den entzückenden Errungenschaften der kommunistischen Partei, zum Beispiel im Agrarsektor oder im Bildungswesen. Das klingt dann als hätte ein 65-jähriger Partei-Kader aus der Provinz den Text geschrieben.
Haben chinesische Rapper wie VAVA unter solchen gesellschaftlichen Umständen überhaupt eine Chance auf internationalen Erfolg?
Ich denke, diese Chance ist gegeben. Die Produktionen sind ja auf hohem Niveau, der Look international, und wenn man sich das Product Placement in den Videos von VAVA anschaut hat sie auch starke internationale Werbepartner im Rücken. Dass so etwas dann auch gar nicht englisch gesungen sein muss, hat ja bereits der K-Pop aus Korea bewiesen, der ja auch global funktioniert.
Neben für den Mainstream aufgebauten Künstlern wie VAVA gibt auch immer noch eine weniger glatt polierte, coolere Seite des Hypes. Das sehr kredibile US-Label 88rising, das sich auf asiatische Künstler spezialisiert, hat auch einige chinesische Künstler unter Vertrag, zum Beispiel die Higher Brothers aus Chengdu, die mittlerweile in den USA Hallen ausverkaufen und gerade ein Feature mit Snoop Dogg aufgenommen haben. Es gibt noch viele andere wie sie, mit street-credibility und einem eigenen, sehr chinesischen Humor. Andererseits hat die künstlerische Tiefe auch bei ihnen Grenzen. Chinesische Rapper, die auch zuhause erfolgreich sein wollen, dürfen viele Themen gar nicht anpacken und wollen das in den meisten Fällen auch gar nicht. Die zensieren sich, ob bewusst oder unbewusst, schon von Anfang an selbst. Das kann immer noch super Musik sein, hat aber eben auch zur Folge, dass es einen sendungsbewussten Concius-Rapper wie Kendrick Lamar, der die sozialen Verhältnisse in Frage stellt, in China bis auf Weiteres so nicht geben wird.
Ist der Aufstieg Chinas zur Supermacht eher gut oder schlecht für die chinesische Subkultur?
Langfristig denke ich, dass Chinas Aufstieg auch chinesische Popkultur international relevanter machen wird. Es gibt schon jetzt Künstler, die eine sehr eigene Ästhetik entwickelt haben, die so nur in China entstehen konnte und die dem fortschrittsgläubigen Land sozusagen den Zerrspiegel vorhält, dazu gehören zB das Performance-Kollektiv Asian Dope Boys, oder das Shanghaier Elektro-Label Genome. Deren Bildsprache könnte man als Sinofuturismus bezeichnen. Da steckt aber auch sehr viel geopolitische Gegenwart drin.
Anders als die USA scheint die Regierung in China die Soft Power solcher innovativen Künstler aber nicht zu erkennen bzw. das Kontrollbedürfnis scheint zu überwiegen. Peking will die Macht darüber behalten, was im Ausland als chinesisch gilt. Und das läuft dann eher auf konservative, von Konfuzius-Instituten gesponserte Fotoausstellungen hinaus, über die große Mauer oder das harmonische Zusammenrücken der Völker durch die Neue Seidenstraße. Besonders cool ist das natürlich nicht.
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