Der Raum, aus dem Jasmin Hornung die Welt verkauft, ist keine 15 Quadratmeter groß und eigentlich ein Kinderzimmer. Es ist das ehemalige Zimmer ihrer Schwester. Der Sitz von Traveljunkies, einem Reiseveranstalter für Abenteuerreisen, Hornungs Firma. Sie verkauft: Segeltrips durch die Karibik, Dschungelwanderungen auf der indonesischen Insel Papua oder Jeeptouren durch die Wüsten des Oman. Sie sagt: "Ich erfülle Lebensträume." Hornung sitzt auf einem Sessel, die Beine beim Sprechen an sich gezogen, auf dem Boden eine Kiste mit Legosteinen.
Wenn Jasmin Hornung sagt "eigentlich hätte das mein Jahr werden sollen", dann spricht aus diesem einen Satz der Frust von zwölf Monaten. Aus einem Leben mit kleinem Kind und Start-up, in dem es eigentlich immer besser lief, aber jetzt eben nicht mehr. Wegen Corona, der Krise und ihrer Folgen.
Hornungs Firmenzentrale ist eine Mischung aus Ankleide, Abstellkammer, Büro, Spielzimmer. Auf der einen Seite hängen nach Farben sortierte Klamotten, auf der anderen verteilt auf einen Hutständer und ein Regal eine beachtliche Sammlung High Heels. Hornung bringt aus jedem Land, das sie besucht, ein Kleid und ein paar Schuhe mit. 51 waren es bisher. Das ist Tradition, sagt sie, und holt ihr Lieblingspaar aus Brasilien aus dem Regal: Weinrot, mit besonders hohen Absätzen. Heute trägt Hornung Sneakers mit Keilabsatz. Damit sie nicht zu klein wirkt.
Hornung, 36, ist wieder bei ihren Eltern eingezogen. Sie lebt wieder in Ebhausen im Nordschwarzwald, einer kleinen Stadt mit schmalen Straßen und vielen Kreisverkehren, arbeitet im Kinderzimmer. Ihre 22 Monate alte Tochter schläft in der Einliegerwohnung nebenan.
Mit einer Kündigung fing alles anIm Jahr 2016, kurz bevor sie Traveljunkies gründet, ist sie arbeitslos. Ihr letzter Arbeitgeber, ein Abenteuer-Reiseveranstalter, warf sie raus, weil sie einen Verkaufswettbewerb gewann und den Preis selbst behalten wollte. Sie wurde die meisten los, sie war darin die beste der Firma. Der Preis: ein iPad mini. All ihre Kollegen sagen, das stehe ihr zu, ihre Chefs kündigen ihr. Das iPad sei für alle da, sagen die Chefs und schließen es in ihrem Büro ein. Einer von mehreren Streits um gewonnene Preise. Diesmal wehrte sie sich, klagte gegen die Kündigung. Vor dem Arbeitsgericht bekam sie Recht und 15.000 Euro Abfindung. "Ich wollte, dass es ihnen wehtut", sagt sie heute.
Das Geld nutzt sie als Startkapital für ihr Unternehmen. Mit Traveljunkies läuft es von Jahr zu Jahr besser, die Umsätze steigen, die Kunden sind zufrieden, sagt sie. Immer dann, wenn Hornung mal ein paar Tage frei hat, fährt sie weg. Sie war in Venezuela, vor dem Putschversuch, als das noch möglich war. Auf den Fidschi-Inseln. Oder in der Arktis. Seit ihrer Ausbildungszeit mache sie das. Sie sagt: "Ich habe noch keine schlechte Reise erlebt." Und: "Reisen ist mein Motor."
Alle in KurzarbeitDoch dann kam der März 2020, ein die Welt bedrohendes Virus, Lockdown. "Alles ist zusammengebrochen", sagt Hornung heute. Mit Reisen ist in der Pandemie kein Geld zu verdienen. Die Kennzahlen ihrer Krise: Im Februar 2020 erzielte das Start-up noch 162.000 Euro. Im Februar 2021 waren es nur noch 18.000 Euro. Ein Neuntel. Die drei Mitarbeiterinnen der Firma sind in kompletter Kurzarbeit, Hornungs Schwester, die vor allem für die Zahlen zuständig ist, eine Frau, die sich um den Verkauf kümmert, und eine weitere, die das Arbeitsamt über ein Programm zur Wiedereingliederung vermittelt hat. Drei weitere wollte Hornung einstellen, eine hatte den Vertrag schon unterschrieben. Während Hornung erzählt, beginnt ihre Tochter im Nebenzimmer zu quengeln. "Mein Einsatz", sagt Hornung und verlässt den Raum. Fünf Minuten später kommt sie zurück, ihr Vater habe seine Enkelin für einen Mittagsschlaf hinlegen wollen, das habe ihr nicht gepasst. Immer was los, sagt Hornung. "In diesem Haus gibt es keine Pausen."