An diesem Abend beginnt die Berliner Verkehrswende mit Butterbrezeln und Schorle. Etwa 80 Interessierte sind der Einladung zur "Informations- und Partizipationsveranstaltung" in die Zitadelle Spandau gefolgt, eine Festungsanlage im Westen Berlins. Es soll um die Radschnellverbindungen RSV 7 und RSV 8 gehen.
Die Moderatorin macht deutlich, was hier heute passieren wird - und was nicht: Es werde "Dialoginseln" geben, sicher viel "Informationsbedarf" und einen "guten Austausch". Kritische Nachfragen dann aber bitte in den Kleingruppen. Mit den Aufstelltafeln an den Seiten und den bunten Pappkarten könnte das hier auch ein Führungskräfteseminar sein. Funktioniert so Verkehrswende?
Seit einem Jahr hat ein Mobilitätsgesetz. Es soll den "Umweltverbund", also Rad-, Fuß- und Nahverkehr, stärken: sichere Radwege, mehr Busspuren, Radschnellverbindungen, eine engere Taktung der Öffentlichen. Der Privatwagen soll überflüssig werden.
"Deutschlandweit einmalig" hatte Regine Günther (Grüne), Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, das Mobilitätsgesetz vor einem Jahr genannt. Einmalig auch der Entstehungsprozess, denn der Abschnitt Radverkehr kam von den Bürgerinnen und Bürgern: Die Initiative Volksentscheid hatte im Sommer 2016 mit rund 105.000 gesammelten Unterschriften so viel Druck auf die rot-rot-grüne Landesregierung aufgebaut, dass sie und andere Verbände direkt am Gesetzentwurf beteiligt wurden.
Doch heute, ein Jahr später, werfen Initiativen der Senatsverwaltung vor, Planungen zu verschleppen und zu wenig ambitioniert zu sein. Sind Politik und Verwaltung dem Mobilitätsgesetz gewachsen?
Mindestens vier Meter breit sollen die Radschnellwege werdenIn Spandau betritt Torsten Perner die Bühne. Er ist Planer bei Ramboll, einer dänischen Firma, die für die Radverkehrsplanung engagiert wurde. Er sagt Dinge wie: "Wir haben in Berlin vor allem viel zu viel Fläche für den Autoverkehr." Oder: "Radverkehr in Berlin ist einfach unlogisch." Die Aufgabe des Planungsbüros: aus einer Stadt, die bisher eher um das Auto herum gedacht wurde, eine Fahrradhauptstadt zu machen.
Der RSV 8 wird quer durch Charlottenburg-Wilmersdorf und Spandau führen, 13 Kilometer lang. Einhundert Kilometer dieser Radschnellverbindungen sind im Mobilitätsgesetz vorgesehen. Sie sind mindestens vier Meter breit, nachts beleuchtet und haben möglichst wenig Ampeln. Überall, wo sich künftig einer der Radschnellwege durchschlängeln könnte, finden Dialogveranstaltungen wie diese statt. Die Zivilgesellschaft zu beteiligen, das war auch Forderung der Initiativen.
Perner zeigt auf die Trassenvarianten, die sich in verschiedenen Farben durch eine digitale Straßenkarte ziehen. Sein Team hat für jede Variante Vor- und Nachteile gesammelt: Wie viele Parkplätze müsste man wegnehmen? Wie viele Kreuzungen müssten überwunden werden? Wem gehört das Gelände? Die Planung ist aufwendig.
Auf einer der Tafeln im Raum ist ein Zeitstrahl aufgezeichnet: Dem Punkt "Planungsverfahren und Beteiligung der Öffentlichkeit" sind 30 Monate eingeräumt. Ein "mindestens" steht noch davor. Hinzu kommen Vergabeverfahren, Machbarkeitsuntersuchungen, die Bauphase. Insgesamt 62 Monate, also rund fünf Jahre.
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