Es lässt sich zwar nur mutmaßen, aber sollten vergangenen Freitag Anwälte der OMV zugeschaut haben, hat ihnen die Vorstellung wahrscheinlich nicht gefallen. "Die wurden jahrelang in Ruhe gelassen", heißt es an einer Stelle. Mit diesem Urteil wären sie am Ende des Stücks allerdings, man muss sagen: verdächtig auffällig, in der Minderheit geblieben; der Rest des Publikums der Brigittenauer Volkshochschule stand von seinen roten Samtsitzen auf und applaudierte, minutenlang.
Das Investigativ-Magazin "Dossier" konnte bei der Uraufführung von "Die Redaktion" zusammen mit dem Volkstheater beweisen, dass Journalismus und Theater bestens zusammenpassen - und dass die österreichische Politik und Wirtschaft weiterhin einen spannenderen Thriller abgeben, als es Fantasie und Fiktion wohl je vermögen werden.
Regisseur Calle Fuhr hat es geschafft, den jahrelangen Rechercheprozess rund um die Machenschaften der OMV-Chefetage übersichtlich und nervenaufreibend auf die Bühne zu transferieren. Das vierköpfige Ensemble, bestehend aus Gerti Drassl, Murali Perumal, Christoph Schüchner und Magdalena Simmel, nimmt einen dabei mit auf eine intensive Jagd nach der Wahrheit voller Einschüchterungsklagen, Korruption und einem Haufen Postenschacherei. Dafür brauchen sie vier Kapitel, drei große Leinwände und zwei Stunden Zeit. Im Mittelpunkt steht nicht nur die Frage, wie es mit Österreichs Journalismus weitergehen kann, sondern auch, wie wir mit unserer Zukunft umgehen.
Nebenbei, auserzählt ist die OMV noch lange nicht. Schließlich veröffentlicht Ashwien Sankholkar am Premierentag die "Dossier"--Geschichte "Eine Maulwurfjagd im Ölkonzern." Ein neues Kapitel. Bis 6. Juni kann man das noch live erleben.