Eva Reisinger

Freie Journalistin und Autorin , Wien

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Hebammen: Personalmangel mit fatalen Auswirkungen - Arbeit&Wirtschaft

Hebammen rufen seit Jahren um Hilfe, der Personalmangel habe fatale Auswirkungen. Für Familien wird es immer schwerer, eine Geburtsbegleitung zu finden. Warum der Hebammenmangel ein sexistisches Problem ist und was dieser konkret bedeutet.


Als Kind erklärte Birgit Schlachter ihrer Mutter, dass sie einmal 1.000 Babys bekommen wolle. Babys, Schwangerschaft und alles, was dazugehört, faszinierten sie zeit ihres Lebens. Nachdem sie als Au-pair in London gearbeitet hatte, bewarb sich die Oberösterreicherin um einen der begehrten Plätze zur Ausbildung als Hebamme. Mittlerweile ist sie bei mehr als 800 Geburten dabei gewesen. Wenn sie von ihrem Beruf erzählt, wird ihre Stimme heller. Für Schlachter sei es das Schönste, eine zufriedene Familie nach Dienstende verabschieden zu können: „Dann schlägt mein Hebammenherz höher." Die Realität der Hebammen in Österreich sieht leider viel zu oft anders aus. Nach dem Dienst schläft sie nach wenigen Minuten erschöpft und frustriert auf der Couch zu Hause ein und quält sich mit Vorwürfen.



Schlachter arbeitet 30 Stunden in einem Spital in Oberösterreich und dazu als selbstständige Hebamme. Mittlerweile wählen viele Hebammen diesen Mix. Sie bleiben flexibler und können Frauen bereits vor der Geburt und danach umfassend begleiten. Der Schichtbetrieb als Hebamme im Kreißsaal bringe einen ganz grundsätzlich an seine Grenzen, erzählt Schlachter. Sie arbeitet meist im Nachtdienst und damit immer gegen die biologische Uhr. Ihre Schicht beginnt abends um sieben Uhr, und sie verlässt das Krankenhaus nie vor sieben Uhr in der Früh. Zwischen 50 und 60 Nächte macht sie so jedes Jahr durch. Obwohl sie als Hebamme flexibel und auf Abruf sein muss, bleibt die große finanzielle Honorierung ihrer Schichtarbeit aus. Laut Schlachter unterscheiden sich hier die Pflegeberufe sehr von der männerdominierten Schichtarbeit. „Die Pflege hinkt enorm nach", meint sie. „Uns bleibt aber keine Wahl, denn ein Kreißsaal muss immer besetzt sein. Die Babys richten sich nach keinem Dienstplan."


Hebammen sind heute für immer mehr zuständig, gleichzeitig gibt es keine verbindlichen Personalberechnungen. Auch Hebammen leiden unter dem Pflegenotstand. Seit 2018 empfiehlt die WHO eine 1:1-Begleitung während der Geburt. Das würde bedeuten: eine Hebamme pro Baby. In der Praxis ist man von dieser Forderung in den meisten Häusern weit entfernt. So kann es sein, dass eine Hebamme bis zu fünf Geburten auf einmal betreuen muss.



2.600 Hebammen arbeiten aktuell in Österreich. Die Zahl steigt stetig, da immer mehr Absolventinnen ihren Abschluss machen. Gleichzeitig gehen viele Hebammen in Pension oder arbeiten nicht Vollzeit. Im europäischen Vergleich hinkt das Land klar hinterher. Viele junge Menschen, fast ausschließlich Frauen, bewerben sich an den österreichischen Fachhochschulen. Genommen werden nur wenige. Wie kann das sein? Für Claudia Neumayer-Stickler, Leiterin des Referates für Gesundheitspolitik beim ÖGB, ist es ein generelles Problem, dass in Gesundheitsberufen so wenig gegen den drohenden und massiven Personalmangel unternommen wird. „Der Mangel ist schon lange sichtbar durch die Hilferufe der Hebammen." Das liege vor allem daran, dass es keine langfristig orientierten Methoden zur Personalberechnung gebe, um gut planen zu können.

Die Anzahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen ist Ländersache. Das bedeutet: Budgetaufstockungen, Bedarfsanalysen und Bürokratie. Außerdem benötigt jede neue Studentin auch einen Praktikumsplatz. „Mehr wäre immer gut!", betont Beate Kayer, Vizepräsidentin des Hebammengremiums. Langsam werden ihre Hilferufe gehört und mehr Ausbildungsplätze geschaffen. Im kommenden Wintersemester werden an acht Hebammen-Studiengängen 215 Studierende starten. 2021 waren es noch 164. Die FH Burgenland bekommt einen neuen Studiengang.

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