Es sind die 70er, Titus Simon ist ein langhaariger Jugendlicher in der schwäbischen Provinz, er trampt zu Konzerten, demonstriert gegen die NPD, verweigert den Wehrdienst. Die politische Weltlage ist damals nicht weniger angespannt als heute - was prägte seine Generation und wie blickt sie auf die Gegenwart?
Es waren vorwiegend die Älteren, die in den vergangenen Monaten auf die Straße gegangen sind: Bei den Demos gegen Rechts. Viele von ihnen standen früher schon einmal als Langhaarige auf Demonstrationen. Was prägte diese Generation - wie ist sie aufgewachsen? Titus Simon, emeritierter Hochschullehrer aus Murrhardt, hat über seine Jugend in der schwäbischen Provinz in den 70ern ein Buch geschrieben.
Herr Simon, stellen wir uns vor, es ist ein normaler Nachmittag in Murrhardt in den frühen 70ern. Was tun Sie?
Dann trampe ich vielleicht mit meinem Freund Gerd nach Gmünd, einfach so. Zu Hause Bescheid sagen, wenn wir später kommen, können wir nicht. Meine Mutter ist mit sich beschäftigt, die kümmert das nicht. Die Mutter von Gerd ist traumatisiert, war nach Bombenangriffen verschüttet in Berlin. Als wir viel zu spät zurückkommen, wird sie hysterisch, brüllt Gerd nieder. Das ist öfter geschehen. Er ist ihr einziger Sohn, sie hat furchtbare Angst, ihm könnte was passieren.
Die Eltern sind also eher ein Problem.
Es gibt einige wenige tolerante Eltern, aber das Leben ist noch sehr rückwärtsgewandt – da gibt es Traumata und Traditionen. Gleichzeitig schwappen die 68er-Ereignisse in unsere Provinz, wenn die Studenten am Wochenende daheim sind und von dem erzählen, was sie in Heidelberg oder in Berlin erleben. Heidelberg ist damals die wildeste Hochschule in Baden-Württemberg.
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