Siri Hustvedts Essaysammlung „Mütter, Väter und Täter“, die jetzt auf Deutsch erscheinen, blicken nicht nur neu auf Mutterschaft und Frauen, ihre Körper und Geschichten. Sie stellen auch gängige wissenschaftliche Analysen in Frage.
Siri Hustvedt erinnert sich, wie sie einmal, ihr Kind war noch ganz klein, mit Taschen behängt und dem Buggy vor sich herschiebend eine Rolltreppe auf einem Flughafen hinunter fährt. Das Kind kippt im Buggy plötzlich nach vorne. Sie, die Mutter, sieht im letzten Moment, dass es nicht angeschnallt ist, packt es - und die Katastrophe ist abgewendet. Doch ein Passant hat den Vorfall beobachtet, und Hustvedt bemerkt sofort seinen „Blick des Abscheus", in seinen Augen sieht sie sich: „ein Monster an Fahrlässigkeit, die schlechte Mutter".
Denn es gibt sie noch immer, jene heftigen „moralischen“ Gefühle gegenüber Müttern. In ihrer neu erschienenen Essaysammlung schreibt die amerikanische Autorin: „Obwohl Feministinnen seit langem gegen die einengende Ideologie der Mutterschaft rebelliert haben, ist der entrüstete Richter keine Figur der Vergangenheit.“ Wer sich in diesem engen Raum bewegt, dem ist jeder Zweifel am Bild der glücklich-sorgenden Mutter ein Splitter im Fleisch. Er provoziert, schürt Hass, wie etwa gegenüber den Aktivistinnen der Regretting-Motherhood-Bewegung vor einigen Jahren, die öffentlich angaben, es zu bereuen, Mutter geworden zu sein.[...]
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