Stuttgart - Herrn G., dem Chemielehrer mit Halbglatze, wuchs rechts und links des Kopfes wirres Haar, die Wangen glänzten rosarot. Sein gedrungener Körper steckte im weißen Kittel, der schien ihm angeboren, nicht angezogen. Statt beim Periodensystem bekam er von der Kochkunst weiche Knie, alles „eine zutiefst chemische Sache, liebe Schüler". Der Lehrer N. wiederum strampelte den steilen Berg zur Schule mit dem Fahrrad hoch, zum Schutz der Umwelt, und erreichte das Gymnasium schwer verschwitzt mit an den Schläfen klebendem Silberhaar. Im Ethikunterricht erzählte er von Sisyphus, und von da an konnte ich mir Sisyphus nur noch als den Lehrer N. auf seinem Fahrrad vorstellen.
Sie haben im Jahr zwölf Wochen Ferien, und während andere den Wagen erst zur Abendstunde in die Garage lenken, haben sie nachmittags längst den Rasen gemäht: Lehrer sollte man sein! Neidvoll schielt der Nachbar über den Gartenzaun. Der Lehrer soll die Wissenschaft vermehren, die Kinder lehren, doch eigentlich ist des Lehrers größte Freud noch immer die Zufriedenheit. Das glaubt zumindest ein Großteil der Bevölkerung: Kaum ein Berufsstand, sieht man vom Politiker und dem Journalisten ab, ist so unbeliebt wie der Lehrer. Eine Befragung im Global Teacher Status Index der britischen Universität Sussex in 35 Ländern ergab im vergangenen Jahr, dass Deutsche ihre Lehrer eher als faul und nicht einflussreich einstufen. Das mangelnde Ansehen könnte einer der Gründe sei, warum sich immer weniger Studienanfänger für den Lehrerberuf entscheiden – und das, obwohl Pädagogen relativ gute Gehaltsaussichten in Deutschland haben. Eine Analyse der Bertelsmann-Stiftung zeigte zuletzt: Allein in den Grundschulen werden bis 2025 mindestens 26 300 Pädagogen fehlen. Der Lehrerberuf steckt längst in der Krise.
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