Esther Niederhammer

Freie Journalistin und Fotografin, Kassel

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Bertha Benz, Porträt

Autor / Redakteur: Esther Niederhammer / Reinhold Schäfer

Vor 170 Jahren wurde die Automobilpionierin Bertha Benz geboren. Sie kümmerte sich nicht um Bedenken, Fahrverbote oder das, was für Frauen als schicklich galt. Sie schrieb mit der ersten Überlandfahrt von Mannheim nach Pforzheim das erste Kapitel der Automobilgeschichte.

Hätte sie gefragt, hätte es glatt ein „Nein" gegeben. Oder vielleicht ein abgeschwächtes „Noch-nicht". Bertha Benz fragte nicht lange, sondern vertraute auf drei Dinge: den technischen Fortschritt, den tiefen Schlaf ihres Mannes und ihre Findig- und Hartnäckigkeit, wenn sie ein Ziel vor Augen hatte. So schob sie ohne Wissen ihres Mannes Carl den Benz-Patent-Motorwagen Nummer 3, den sie schon für alltags- und langstreckentauglich hielt, aus der Werkstatt und machte sich in aller Frühe mit zwei halbwüchsigen Söhnen auf die erste Überlandfahrt mit der „pferdelosen Kutsche". Ihre Fahrt von Mannheim nach Pforzheim schrieb Geschichte und wurde das erste Kapitel in der Historie des Automobils. Zudem wurde Bertha Cäcilie, laut Familienbuch „leider wieder nur ein Mädchen", zur ersten Frau am Steuer einer technischen Revolution.

Was wie ein Start-Ziel-Sieg klingt, war ein hart errungener Sieg, gekennzeichnet durch zahlreiche unfreiwillige Boxenstopps und viel Improvisationstalent. Es gab keinerlei Infrastruktur für ein solches Unternehmen. Die Straßen? Waren für Kutschen angelegt und mit ihren zwei Fahrspuren und dem Buckel in der Mitte häufig ungeeignet für ein dreirädriges Gefährt. Tankstellen? Gab es nicht. Betrieben wurde der Motor mit Ligroin, Waschbenzin, das Bertha für damalige Zeiten in unerhörten Mengen in Apotheken entlang des Weges einkaufen musste, denn schon der erste Motorwagen brauchte mehr Treibstoff als berechnet. Berg-und-Tal-Erfahrung? Nicht vorhanden.

Erst diese Überlandfahrt machte deutlich, dass der Patentwagen bessere Bremsen und einen kleinen Gang für Steigungen benötigte. Bertha und ihre Söhne mussten bergauf schieben und ließen sich zur Verstärkung der Bremskraft von einem Schuster Leder auf die Bremsen nageln. Pannenhilfe? Selbst war die Frau: Eine verstopfte Kraftstoffleitung wurde mit einer Hutnadel gängig gemacht, ein durchgewetztes Kabel mithilfe eines Strumpfbandes isoliert, die Antriebskette ständig nachgeölt und mit Unterstützung eines Schmieds auf der Strecke gestaucht, da sie sich durch die Beanspruchung gelängt hatte. Wasser zur Kühlung des Motors? Wurde bei Wirtshäusern, Brunnen, Bächen nachgefüllt. Fahrzeugbeleuchtung? Nicht eingeplant. Trotz aller Widrigkeiten glückte die Fahrt. Nach einem langen Tag und 104 zurückgelegten Kilometern telegrafierte Bertha durch die Dunkelheit an ihren Mann: „Pforzheim glücklich angekommen."

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