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Nazis im Gaming: Nicht genug Widerstand

Am 19. November veröffentlichte das Politmagazin frontal21 (ZDF) den Beitrag Wie Rechte die Gaming-Kultur unterwandern. Innerhalb der letzten zwei Wochen posteten daraufhin einige YouTuber:innen Videoreaktionen, die sich kritisch gegenüber dem Beitrag äußern. Darin nutzen sie verharmlosende, verkürzte oder bereits widerlegte Argumente.

In ihrem Beitrag behandelte frontal21 unter anderem die antifeministische Hetzkampagne GamerGate ( akduell berichtete), Sexismus im Gaming, ein rechtes Propagandaspiel oder Steamgruppen mit Nutzer:innen, die sich selbst menschenfeindliche Namen gegeben haben - wie zum Beispiel „kebabremover". „Vielleicht mag diese Person nur Kebabs", kommentieren die Space Frogs den Namen. LeFloid, vom Trio FlipFloid, hingegen finde es schwierig, „da Rassismus zu unterstellen." „Remove Kebab" stammt aus einem anti-muslimischen Propaganda-Lied und hat sich in rechten Kreisen als Meme etabliert. Das Lied glorifiziert den serbischen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić, einer der Verantwortlichen des Massakers von Srebrenica, bei dem rund 8.000 Bosniaks, bosnische Muslime, getötet wurden. Auf seinem Weg zur Moschee hörte der extrem rechte Attentäter von Christchurch dieses Lied, beschriftete sogar eine seiner Waffen mit der rassistischen Äußerung.

KuchenTV ordnet die Namenswahl als fehlgeschlagenen Versuch schwarzen Humors ein, befürwortet sie aber nicht. Doch gerade von dieser Verharmlosung profitieren Rechte im Netz. Der Verweis auf vermeintliche Ironie ist eine ihrer Strategien. Jean-Philipp Baeck, Co-Autor und Herausgeber des Buchs Rechte Egoshooter - Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat, teilte akduell im Rahmen unseres Schwerpunktartikels über die Probleme des Gamings mit Rechts mit: „Diese Strategie zielt darauf, Leuten mit Propaganda nicht vor den Kopf zu stoßen. Gerade die ironische Memekultur spielt da eine große Rolle."

Gute Absichten?

Frontal21 versucht außerdem, GamerGate kurz zu erklären und einzuordnen. Sowohl die Space Frogs als auch FlipFloid gaben in ihren Reaktion zu: Sie wissen nicht, worum genau es bei GamerGate ging. Lediglich LeFloid bezeichnete die Kampagne zusammenfassend, aber wenig spezifisch, als sexistisch. KuchenTV stellte die Faktenlage hingegen inkorrekt dar. Er behauptet, GamerGate könne nicht frauenfeindlich gewesen sein, da das Imageboard 4chan, das die Bewegung massiv unterstützte, an The Fine Young Capitalists (TFYC) spendete. FYC war eine feministische Gruppe mit dem Ziel, mehr Designerinnen in die Videospielindustrie zu bringen.

Dabei lässt KuchenTV aus, dass 4chans Unterstützung nicht auf inklusiven Motiven basiert. Bereits vor GamerGate, im Februar 2014, kritisierte Entwicklerin Zoe Quinn TFYC unter anderem wegen ihrer Transphobie. Mit ihren Spenden plante 4chan nicht nur Quinn und ihren Unterstützer:innen zu trotzen. Sie wollten sich - und damit GamerGate - außerdem als „die Guten" inszenieren, indem sie ein feministisches Projekt mitfinanzieren. Diese Taktik ist wenig überraschend. Zum Grundtenor dieser und ähnlicher Imageboards gehört eine nihilistische Haltung, die Anfeindungen gegenüber Andersdenkenden und sogar eigenen Mitgliedern mit allen Mitteln rechtfertigt (akduell berichtete).

Spiele können nicht unpolitisch sein

Das Video der Space Frogs bedient zudem den Mythos des unpolitischen Spiels beziehungsweise Spielens. Darin heißt es, dass die Medienlandschaft aufhören solle, Games zu politisieren. Auch KuchenTV vertritt eine ähnliche Person. Diese Annahme impliziert, Games seien ein unpolitisches Medium. Sowohl Games- beziehungsweise Kulturwissenschaftler:innen, als auch Fachjournalist:innen widersprechen dieser These: „Es gibt kein Buch, keinen Film, kein Album und kein Spiel, das frei von Politik wäre - wie bei jedem Kulturprodukt ist die ganze reale Welt ihrer Schöpfer der Stoff, aus dem sie entstehen", schreibt der langjährige Spielejournalist Rainer Sigl in Grimme Games.

Zudem wird das Argument des unpolitischen Spiels oft in nur einem bestimmten Kontext verwendet: Wenn es darum geht, inklusiver werdene Spiele anzugreifen. Spätestens seit GamerGate nutzten Gamer Phrasen wie „Keep politics out of our games" als eine Grundlage für ihre Anfeindungen gegenüber progressiven Entwickler:innen und Journalist:innen. Das basiert auf der falschen Annahme, Frauen wollen ihnen ihre Spiele wegnehmen. In Bezug auf die Äußerungen der Youtuber weist die antifaschistische Initiative „Keinen Pixel den Faschisten" drauf hin, dass aus solchen Aussagen „antifeministisches Denken wächst, das sich schließlich, unter anderem durch aktives Intervenieren von Rechts, in Exklusion und Gewalt artikuliert."

Luft nach oben

„Keinen Pixel den Faschisten" heißen den Beitrag willkommen, haben aber inhaltliche Kritik. Das ZDF räumte zum Beispiel rechten Akteuren wie Martin Sellner, Sprecher der extrem rechten Identitären Bewegung, oder Alexander Kleine, extrem rechter Aktivist, Raum zum Sprechen ein. Beide waren an der Entwicklung eines rechten Propagandaspiels beteiligt. „Durch den Beitrag erhält [das Spiel] nun eine sehr große Plattform und Aufmerksamkeit, genauso wie die Identitäre Bewegung selbst", heißt es in dem Blogpost. Besonders problematisch finden sie zudem die Nebeneinanderstellung von Expert:innen und Männern, die „antisemitische, rassistische, frauen- und queerfeindliche Inhalte verbreiten und - wie der Beitrag auch richtig erwähnt - mit Rechtsterroristen wie dem Attentäter von Christchurch ideologisch verwandt sind."

Dass die Reaktionen der YouTuber überhaupt derart negativ ausgefallen sind, liegt womöglich an der tendenziösen Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien über vermeintliche Killerspiele zu Beginn der 2000er Jahre. Dabei wurden Games unter den Generalverdacht gestellt, Spieler:innen zu Gewalt zu animieren. Als „Beißreflex" bezeichnet Kulturwissenschaftler Christian Huberts, der ebenfalls im Beitrag vorkommt, das Verhalten auf Twitter und fügt hinzu: „Die Killerspieldebatte ist vorbei. Hier wird nicht ansatzweise so pauschal argumentiert, wie Ihr es euch einbildet." Er wünscht sich, dass bei künftiger Kritik an Games nicht direkt Panik herrschen, sondern „gelassene Manöverkritik an Berichterstattung geleistet werden soll, ohne gleichzeitig existierende Probleme zu verleugnen."

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