Hitzig das Porzellan zerschmettern? Eine leidenschaftliche Szene machen?
Nicht unter deutschen Paaren! Etwa 40 Prozent der Paare streiten lediglich ein- bis zweimal im Monat. Und jedes zehnte Paar gibt sogar an, es würde nie streiten.
Wenn, dann wird meistens im Wohnzimmer gestritten, das Schlafzimmer bleibt eine weitgehend stressfreie Zone. Eine Konfrontation in der Öffentlichkeit - wie beispielsweise im Supermarkt oder auf offener Straße - meiden die meisten Pärchen.
Das sind doch richtig gute Nachrichten, oder? BILD fragte bei Beziehungsberater und Autor Eric Hegmann nach - und der findet das Ergebnis beunruhigend.
Eric Hegmann: „Die Ergebnisse bestätigen, dass viele Paare lieber einen Konflikt vermeiden als ihn ausfechten, weil Streiten in einer Beziehung als schlecht für die Liebe gilt. Wenn die Partner nicht mehr mit Argumenten weiterkommen, dann errichten sie eine Mauer des Schweigens. Damit entgehen sie zwar – zunächst – einem Krach. Doch aussitzen geht mittel- und langfristig schief. Ein Problem, das nicht gelöst wird, kommt immer wieder – das geht nicht einfach weg. Und bei seiner Rückkehr ist es durch die in sich hineingefressene Wut und Vorwürfe noch viel größer und schwerer zu lösen. Schweigen ist für den Partner eine Zurückweisung und Bestrafung: Das kann nicht gut gehen.“
Warum ist eine gepflegte Streitkultur wichtig in der Partnerschaft?
Eric Hegmann: „In der Fantasie ist eine Beziehung liebevoll und romantisch. Und wenn man sich dann noch von den Bildern glücklicher Pärchen beispielsweise auf Facebook zum Vergleichen verleiten lässt, dann agieren schnell viele Paare konfliktscheu und harmoniesüchtig, um nur nichts falsch zu machen. Dabei streiten sich auch die erfolgreichen Paare. Sie machen das allerdings auf Augenhöhe und lösungsorientiert. Das heißt: Sie respektieren, dass die Wünsche des Partners gleichberechtigt den eigenen Wünschen sind. Das bedeutet übrigens auch, dass es Probleme gibt, die sich nicht durch einen Kompromiss lösen lassen. Weil dann beide Partner unbefriedigt aus der Auseinandersetzung gehen.“
Was sagt die Art und Weise, wie ein Paar streitet, über das Paar bzw. die Beziehung aus?
Eric Hegmann: „In seinem LoveLab sagt Professor John Gottman, Autor des Buches „Die Vermessung der Liebe“, dass er anhand der Streitkultur eines Paares fast immer vorhersagen kann, ob es zusammenbleibt. Seine Erkenntnisse werden erfolgreich in der Paarberatung angewendet. Wenn beispielsweise im Streit abgewertet wird, wenn Erpressungen ausgesprochen werden oder durch Schweigen der Partner „bestraft“ wird, dann wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die schwer aufzuhalten ist. Irgendwann überwiegen dann die negativen Gefühle, die Zuversicht schwindet, dass man es als Paar „schaffen“ kann und die Beziehung zerbricht.“
Was halten Sie von Paaren, die sehr streitvermeidend in der Partnerschaft agieren?
Eric Hegmann: „Es ist gut, im Ärger nicht zu streiten, denn Streit ist Stress und wenn unser Gehirn unter Stresshormonen steht, schaltet der Verstand ab und es funktioniert nur noch unser evolutionäres „Reptiliengehirn“, das nur zwei Funktionen kennt: Flucht und Angriff. In dieser Situation sollte man Streit tatsächlich vermeiden und besser einmal durch den Park joggen, denn Laufen schwemmt die Stresshormone aus dem Körper und der Verstand kann wieder ein paar – hoffentlich gute – konstruktive Vorschläge machen. Vor dem Streit Angst zu haben, ist jedoch keine Lösung! Wenn zwei Menschen zusammenleben, ist es unvermeidlich, dass es unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Diese vorwurfsfrei zu äußern, ist der Schlüssel zum Erfolg. Konfliktscheue Menschen neigen jedoch häufig zu der Beleidigt-Schweigen-Strategie. Und die regt jeden auf: ,Du musst schon selbst herausfinden, warum ich sauer auf dich bin. So lange rede ich nicht mit dir.‘ Die Haltung führt schnurgerade zu Problemen im Schlafzimmer – und wenn der Sex wegfällt, dann fehlt eine wichtige Bindung.“