Hängen Sie noch zu sehr am Ex-Partner? Dann sollten Sie unbedingt lernen loszulassen, sonst können Sie nicht nach vorne schauen. Warum das mitunter ganz schön schwer ist, was Sie tun können und vermeiden sollten.
Wer loslassen kann, kommt unbeschwerter durchs Leben - denn er hat sich vom Ballast der Altlasten befreit. Das gilt auch für beendete Beziehungen. Natürlich kann und soll eine Partnerschaft nicht einfach von heute auf morgen ad acta gelegt werden: Eine Trennung tut oft weh, und es braucht Zeit, sie zu überwinden.
Doch dann muss es weitergehen. Aber was, wenn der Ex-Partner einfach nicht aus dem Kopf will? Wenn die beendete Beziehung glorifiziert wird? Kurz: wenn es einfach nicht funktioniert, die Partnerschaft loszulassen?
Paarberater und Parship-Coach Eric Hegmann kennt dieses Unvermögen aus seiner beruflichen Erfahrung. Mit BILD der FRAU hat der Experte über das Loslassen gesprochen, warum es oft so schwer ist - und wie man das Loslassen lernen kann.
Was genau meinen wir mit Loslassen in Bezug auf eine ehemaligen Beziehung?
Loslassen bedeutet, Raum schaffen für Neues. Solange ein Ex-Partner im Herzen noch einen Platz besetzt, ist es nicht frei für einen neuen Partner. Nach der Verarbeitung einer Beziehung, der Bewältigung der Trennung und schließlich des Abschließens ist auch Loslassen nötig. Und Loslassen können Sie lernen. Sie haben losgelassen, wenn Sie sich sagen können: Gut, dass die schmerzhafte, unglückliche Beziehung vorbei ist. Sie musste beendet werden, denn jetzt kann ich eine neue, bessere, glücklichere Beziehung eingehen.
Warum fällt es Menschen oft so schwer, loszulassen?
Das Festhalten an einer alten Beziehung oder einem Ex-Partner hat verschiedene Ebenen.
Da ist zunächst die gemeinsame Vergangenheit, also die Summe von Erfahrungen, von Erinnerungen und all den Gefühlen, die damit verbunden sind. Ein Song im Radio, ein Urlaubsfoto, eine Szene in einem Film - alles, was man gemeinsam erlebt hat oder womit man Erinnerungen an die Beziehung verbindet, kann die Gefühle zurückholen. Wir sind ja emotional in der Lage, durch die Zeit zu reisen und Situationen erneut zu fühlen. Das ist hilfreich, um Fehler zu vermeiden, aber auch wohltuend, um sich an die Geborgenheit schöner Momente zu erinnern. Problematisch wird es, wenn man in einer Endlosschleife steckt, die verhindert, sich zu lösen, man also Situationen immer wieder durchlebt, obwohl man das nicht möchte. Die zweite Ebene ist das persönliche Bindungsverhalten. Menschen neigen nach der Bindungstheorie, etwas vereinfacht formuliert, entweder eher zu Verlustangst oder zu Bindungsangst - oder sie haben ein sicheres Bindungsverhalten, das für ein ausgewogenes Bedürfnis nach Nähe und Distanz sorgt. Verlustängstliche Menschen können schwerer loslassen, weil sie Distanz und Zurückweisung als Verletzung ihres Selbstwertes erleben und das Festhalten sogar an unglücklichen Beziehungspartnern als Schutzstrategie einsetzen, um den Verlust nicht verspüren zu müssen. Die individuelle Trennungshistorie ist eine weitere Ebene. Es ist wahrscheinlich, dass ein Trennungsgrund mit einer eindeutigen Schuldfrage Loslassen erleichtern kann. Natürlich spielen auch hier das Bindungsverhalten und die Beziehungszufriedenheit eine große Rolle, doch wenn der Partner Sie einfach schlecht behandelt und abgefertigt hat, hilft Ihnen der Groll über die ungerechte Behandlung oft beim Loslassen. Dagegen hinderlich ist, wenn Sie keinen Grund für die Trennung erfahren haben. Dann sucht Ihr Gehirn ununterbrochen nach einem Abschluss - und findet ihn nicht. Und schließlich haben biochemische Vorgänge einen Anteil am Festhalten. Bindungshormone sorgen für das Gefühl von Geborgenheit und Vertrautheit. Fallen die plötzlich weg, erleben Menschen Entzugserscheinungen, psychisch und physisch. Sie trösten sich dann mit Bildern in sozialen Netzwerken oder schönen Erinnerungen. Die sorgen aber sozusagen jedes Mal für einen Rückfall, so als würden Sie sich das Trinken abgewöhnen wollen, indem Sie immer wieder ein Glas Wein trinken.
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Was kann hilfreich dabei sein, das Loslassen zu lernen?
Manchen Menschen genügt es, kognitiv zu verstehen, welche Phasen des Liebeskummers sie gerade durchleben, und dass der Wunsch nach Rückkehr in die alte Beziehung dazu gehört, um loszulassen. Und dass sie die nächste Phase, das Platz Schaffen für Neues, eben nur nach dieser erreichen können. Andere benötigen dazu ein Erleben des Gefühls, Ballast loszuwerden. Sie verwenden beispielsweise Rituale, um loszulassen. Die gemeinsame Wohnung neu streichen und umräumen, Bilder entsorgen, Erinnerungsstücke wegpacken ...
Welchen Fehler, der das Loslassen erschwert, begehen viele?
Sie setzen sich immer wieder Erinnerungsstücken aus. Das Internet macht das leicht. Statistisch verlängert die Suche nach Ex-Partnern in sozialen Netzwerken den Liebeskummer um gut sechs Monate. Kontaktsperre ist für viele Betroffene dann ein zwar harter, aber erfolgreicher Weg, das Loslassen zu lernen.
Wenn es einfach nicht klappen will mit dem Loslassen: Wann ist es sinnvoll, sich Hilfe zu holen?
Wenn das Loslassen nicht klappt, sollten Sie sich Unterstützung suchen. Prüfen Sie, ob Sie unter posttraumatischen Störungen leiden. Dies ist nicht so selten bei Trennungen, die beispielsweise auf eine plötzlich aufgeflogene, lange Affäre des Partners folgen. Verletzungen wie Betrug mit den schmerzhaften Zweifeln: "Wie konnte ich das nicht bemerken? Was stimmt nicht bei mir?", verhindern Loslassen häufig sehr lange.
Lässt die Unfähigkeit, loslassen zu können, immer auf den Charakter eines Menschen schließen?
Nein. Gar nicht. Es ist vor allem eine Frage der Bindungshaltung. Und auf die haben Sie nur bedingt einen Einfluss, denn die ist in Ihrer frühen Kindheit geprägt worden und durch Ihre Beziehungshistorie, das heißt, es geht um Ihre Überzeugungen und Glaubenssätze: Sind Sie überzeugt, dass Sie "nicht gut genug" waren für Ihren Ex-Partner, dann werden Sie länger benötigen, um wieder frei zu sein für eine neue Beziehung als wenn Sie sagen können: "Ich habe etwas Besseres verdient!"
Kann es tatsächlich auch einmal sinnvoll sein, NICHT loszulassen?
An schönen Erinnerungen festhalten kann ja durchaus etwas Tröstliches sein. Doch das Leben ist Veränderung. Der Blick zurück bringt Sie nicht so weit wie der Blick nach vorne. Nehmen Sie einen Trauerfall: Die Erinnerung an einen verstorbenen Partner werden Sie nicht auslöschen wollen, dennoch wollen Sie neues Glück erleben wollen. Dazu müssen Sie ein Stück weit lernen loszulassen, um Platz für einen neuen Menschen in Ihrem Leben zu schaffen.
Wie geht es den meisten Menschen, Ihrer Erfahrung nach, wenn sie das Loslassen erfolgreich hinbekommen haben?
Gut. Sie sind erleichtert, dass es nun weitergeht. Wenn Sie festhalten, erleben Sie Stillstand. Es ist sehr tröstlich zu erleben, dass neues Glück möglich ist.
Können Partner schon während der Beziehung daran arbeiten, dass ein möglicherweise irgendwann eintretendes Loslassen (also nach der Trennung) nicht allzu schwer wird?
Sie können durch Pflege Ihres Freundeskreises und einer Stärkung Ihres Selbstwertes durch ein eigenverantwortliches Leben dafür sorgen, dass Sie nicht in eine emotionale Abhängigkeit geraten. Bereits aus Angst vor Liebeskummer aber Distanz zu schaffen, ist wie Selbstmord aus Furcht vor dem Tod.