Eric Hegmann

Chefredakteur, Paarberater, Hamburg

1 Abo und 3 Abonnenten
Artikel

Warum wir besser bleiben sollten

Früher haben wir uns getrennt, weil wir unglücklich waren. Heute trennen wir uns, weil wir glücklicher sein könnten

„Man ändert nicht die Beziehung, wenn man den Partner wechselt. Nur die Fehler." Vermutlich soll dieser Spruch verfrühte Trennungen verhindern oder zumindest Trennungswillige erinnern, dass auch der nächste Partner nicht perfekt sein wird. In ihm steckt die Wahrheit, dass man sich selbst schließlich in die nächste Beziehung mitnehmen wird - ebenfalls mit allen Schwächen. Der Appell lautet also: Übernehmt Verantwortung für Konflikte, beharrt nicht auf der Idee, dass alles superduper wäre, würde der Partner sich nur ändern (lassen).


Die meisten Menschen ahnen ja durchaus, dass das Gras nebenan nicht wirklich grüner ist als das im eigenen Garten. Wenn so viele Beziehungen nach den leidenschaftlichen ersten Monaten oder einem vielversprechenden halben Jahr in die Brüche gehen, dann geschieht das nicht aus Unwissenheit oder wegen Verleugnung von Tatsachen, sondern meist aus diesem gewaltigen Antrieb heraus, der stärker ist als Wissen und Erfahrung: Die Furcht, das wahre Glück zu verpassen. Was immer wahres Glück für jeden Einzelnen auch sein mag.

Andere fürs eigene Unglück verantwortlich zu machen, ist einfach. Es genügt der Gedanke: „Ich wäre wirklich glücklicher, wenn du dich nicht in dein Smartphone vergraben würdest, sobald ich mit dir über meine Gefühle sprechen möchte." Aber ist denn der Partner dazu da, uns glücklich zu machen? Lässt sich das einfordern?


Wir machen wir es uns manchmal zu leicht, Dabei ist der Gedanke ja richtig. Es wäre schön, wenn unser Partner uns mehr Achtsamkeit schenken würde. Das würde uns ein gutes Gefühl geben. Weil wir das aber nicht haben, bitten wir ihn darum, sein Verhalten zu verändern.

Wir begegnen einander nicht auf Augenhöhe, wenn wir uns gegenseitig für unser Glück verantwortlich machen.


Das Ideal der selbstlosen Liebe sagt uns: Wer liebt, macht alles, damit es dem Partner gut geht. Im Umkehrschluss wird daraus jedoch ein brandgefährlicher Satz: Würde mein Partner mich wirklich lieben, dann würde er alles für mich tun. Darin steckt eine Menge Erwartung und eine Menge Potential für Enttäuschung. Die Folge ist: Wir vermuten, die Liebe des Partners reicht nicht aus. Vielleicht empfinden wir sogar, dass das gar keine Liebe war, sondern nur Leidenschaft, Hormone und Botenstoffe. Wir zweifeln an uns selbst, unserer Fähigkeit zu lieben.


Die Entscheidung, zu bleiben und zu kämpfen, oder zu gehen und das Spiel zu wiederholen, fällt nicht leicht. Es ist ein schmerzhafter Prozess, sich von Hoffnungen zu verabschieden. Dieses Leid kann sogar zur Begründung und zur Rechtfertigung werden, aufzugeben. Das ist besonders traurig, denn damit beginnt ein Kreislauf von kurzen Beziehungen, die niemals ihr ganzes Potential erreichen können. Denn sie werden beendet, bevor sie richtig losgehen.

Wir machen es uns nicht zu leicht, wenn wir so schnell aufgeben, wir machen es uns selbst zu schwer.


Zum Original