Eric Hegmann

Chefredakteur, Paarberater, Hamburg

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Woran bin ich mit dir? Darum ist Gewissheit so wichtig

Ungewissheit ist das Schlimmste. Sie nagt an der Liebe und irgendwann ist da, wo vorher ein Herz voller Lebensfreude schlug, nur noch ein schwarzes Loch, das allen Mut und Zuversicht verschlungen hat. Wie konnte es so weit kommen?

Es braucht oft feine Antennen, um zu bemerken, dass sich ein Partner nicht mehr sicher ist, ob er / sie noch geliebt und begehrt wird. Nicht jeder schlechte Tag, den schließlich jeder mal durchlebt, ist eine Warnung. Nicht jede miese Stimmung ist ein Signal, dass man mit dem Großen und Ganzen unzufrieden ist. Es ist eine Kunst, unterscheiden zu können zwischen kurzem Stress von außen und dem schleichenden, der in der Beziehung entsteht und dort verbleibt. Vor allem, wenn die Unsicherheit zunimmt, werden schnell Verhaltensweisen des Partners zur Bestätigung von Befürchtungen. Eine Abwärtsspirale setzt ein, mit Eifersucht, Misstrauen und viel Enttäuschung.

Ungewissheit ist ein Gefühl, das sehr ungerecht daherkommen kann. Ein Partner vermisst etwas in der Beziehung und kommt es dann zur Konfrontation, fühlt sich der andere schnell unverstanden. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung erledigt häufig den Rest. Es bleiben Vorwürfe und Verteidigungsversuche, zwei der berüchtigten apokalyptischen Reiter in der Partnerschaft: Wo sie vorbei gekommen sind, wächst nichts mehr, Rosen der Liebe schon gar nicht.


Jede Partnerschaft benötigt Gewissheit


Gewissheit ist verwandt mit Optimismus. Auch ohne Zuversicht auf das erfolgreiche Lösen zukünftiger Konflikte kann sich eine Partnerschaft nicht entfalten. Die Furcht vor dem Scheitern lähmt ihre Entwicklung, der Zweifel vergisst alle Möglichkeiten, wie Partner mit Problemen umgehen könnten.

Jeder Partner benötigt die Gewissheit, dass der andere nicht davon läuft, wenn es anstrengend wird. Dass er nicht den nächsten Kick sucht, wenn die Stimmung mal nicht euphorisch ist. Dass er sich nicht mit anderen Personen einlässt, wenn es im Schlafzimmer mal nicht geklappt hat. Dass er keine anderen exklusiven Beziehungen eingeht und anderswo Themen bespricht, die in der Partnerschaft nicht angesprochen werden.

Gewissheit ist aber nicht nur eine Bringschuld. Wer sich unsicher ist, geliebt zu werden auch in den schlechten Tagen, der wird womöglich so tun, als gäbe es nur die guten. Dass das nicht so sein kann, weiß jeder. Aber niemand provoziert gerne Konflikte. Also werden die meisten Paare in einer solchen Situation lächeln, weitermachen und die Zweifel unter den Teppich kehren. Bis darunter irgendwann kein Platz mehr ist.

„Das hättest du mir doch sagen müssen!", ist dann ein typischer Vorwurf in der Beratung. Die Antwort lautet fast immer: „Du hast nie gefragt!" Wer hat Recht? Das ist nicht wichtig, denn die Ungewissheit hat nun bereits zwischen dem Paar Platz genommen. Sie flüstert jetzt den Partnern zu: „Was du machst, das ist verkehrt."

Was können Sie tun? Ehrlich sein, auch wenn es unbequem werden könnte. Ihr Partner muss wissen, dass er sich auf Sie verlassen kann. Um umgekehrt. Dazu gehört, dass Sie sagen, wenn Sie etwas belastet. Das muss keinesfalls bedeuten, dass daraus ein Beziehungsgespräch oder eine Diskussion wird, in der Gefühle zerredet werden. Es genügt eine Zustandsbeschreibung. Ohne Vorwurf, ohne Klage - und am besten auch ohne Selbstmitleid. Es ist wie es ist.

Wissen und Gewissheit haben nicht umsonst denselben Wortstamm. Sie haben verdient zu wissen, woran Sie sind.


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