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Sport statt Pille? Bewegung hilft dir, gesund zu bleiben | eVivam

Du willst wissen, was du tun kannst, um gesund zu bleiben oder wieder zu werden? Dann bringe deinen Körper in Bewegung, denn Muskelkraft stählt augenscheinlich nicht nur ihn. eVivam fragt, der Internist Axel Kip gibt Antworten zu krankheitsspezifischen Sportempfehlungen für die größten Leiden in Deutschland.


In Deutschland führen zurzeit Rücken- und Nackenschmerzen die Liste der häufigsten Krankheiten an. Es folgen Herzkrankheiten, die beispielsweise aus Durchblutungsstörungen wie Herzinfarkten entstehen. An dritter Stelle stehen Schlaganfälle, auf dem vierten Platz Beschwerden der Sinnesorgane. Natürlich nehmen auch Alzheimer (Platz 5) und Diabetes (Platz 7) einen Platz in dieser traurigen Top-Ten-Liste ein. Die Daten gehen aus einer neuen weltweiten Studie hervor, die die Autoren jetzt im Fachmagazin The Lancet veröffentlicht haben. Laut DAK-Gesundheitsreport 2014 liegen psychische Erkrankungen, allen voran Depression, auf Platz drei der Krankheiten mit den meisten Arbeitsunfähigkeits-Tagen.

Doch was kannst du tun, um solchen Krankheiten vorzubeugen oder deinen Körper bei der Heilung zu unterstützen? Bewegung scheint der Schlüssel. Und tatsächlich: Der Internist Dr. Axel Kip verweist in dem nachfolgenden Kurzinterview auf das entscheidende Quentchen sportlicher Betätigung, und zwar krankheitsspezifisch. Deine Muskulatur spielt offenbar nicht nur eine Rolle für das Tragen deines Skeletts, sondern auch deines Seelenheils. Die Tipps findest du in der Bildergalerie. Übrigens: Ärzte können dir Funktionstraining und Rehasport verordnen. Einige Programme sind sogar auf die jeweiligen Krankheiten zugeschnitten.

Was hilft bei Rückenleiden?

Dr. Kip: „Eine Studie der Universität Ulm zeigt, das beim Treppensteigen abwärts bzw. beim Aussteigen aus Bus oder Bahn die Gelenke der unteren Extremitäten und Wirbelsäule mit dem Mehrfachen des Körpergewichtes belastet werden. Je besser die Muskulatur ausgeprägt ist und funktioniert, desto wirksamer kann sie Gelenke und Wirbelsäule sichern, entlasten und schützen. Selbst wenn Gelenke oder Wirbelsäule bereits geschädigt sind, kann gezieltes Training Rückenschmerzen wesentlich vermindern und Beweglichkeit verbessert werden.

Und was gibt es für Erkenntnisse bei Herzmuskelschwäche?

Dr. Kip: „Die Stadieneinteilung der Herzmuskelschwäche erfolgt nach Klassifikation der New York Heart Association. Dass Krafttraining mit richtiger Dosierung und Methodik bei chronischer Herzinsuffizienz wirksam und sicher ist und hierdurch das Stadium der Herzschwäche um eine Stufe verbessert wurde, konnte in Studien nachgewiesen werden**."

Dass Bewegung bei Depression hilft, ist bekannt. Wie genau?

Dr. Kip: „Bereits 2005 konnte durch eine Studie*** belegt werden, dass sich Muskelaufbautraining positiv auf die Depression auswirkt. Darin konnten die Autoren nachweisen, dass Muskelaufbautraining in 61 Prozent der Fälle zur Halbierung der depressiven Symptomatik führt. Dies gelang in der Kontrollgruppe, die eine Standardtherapie ohne Muskelaufbautraining nur bei 29 Prozent der Erkrankten. Hierbei spielen so genannte Myokine eine entscheidende Rolle. Das sind Botenstoffe, die in der trainierten Muskulatur gebildet werden."


Und bei Demenz?

Dr. Kip: „In einer Studie**** wurde untersucht, inwieweit sich eine Hinwendung zu einem aktiven und gesunden Lebensstil auf die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter auswirkt. Die Ergebnisse nach zwei Jahren: Die allgemeine mentale Verfassung verbesserte sich um 25 Prozent im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die ihre ungesunden Gewohnheiten beibehalten hatte.

Was sagt die Wissenschaft zu Sport bei Diabetes?

Dr. Kip: „Bei Diabetikern spielt der so genannte HbA1c-Wert eine wesentliche Rolle. Der erlaubt einen Rückschluss auf die Qualität der Blutzuckereinstellung der vergangenen acht bis zwölf Wochen. Leitlinien empfehlen einen Wert zwischen 6,5 und 7,5 Prozent. Einer Studie**** zufolge kann Muskeltraining dazu führen, dass dieser Wert um 0,35 bis 0,6 Prozent sinkt. Dieser Wert scheint niedrig, hat es die Gesundung betreffend aber in sich."


Und Bewegung als Krebsprävention?

Dr. Kip: „Ein körperlich aktiver Lebensstil kann das Risiko der Erkrankung an bestimmten Krebsformen senken. Die derzeitige epidemiologische Studienlage zeigt deutliche Zusammenhänge im Hinblick auf Darm-, postmenopausalem Brust-, und Gebärmutterhalskrebs. Hinweise auf eine vor Krebs schützende Wirkung von Sport und körperlicher Aktivität gibt es zudem für Tumoren der Lunge, der Bauchspeicheldrüse und der Prostata. Aktuell wird die potenzielle Risikoreduktion durch erhöhte Aktivität je nach Tumorart zwischen 20 Prozent und 30 Prozent angegeben. Es wird zudem angenommen, dass sich in Europa cirka 14 Prozent aller Krebsfälle bei Männern und 16 Prozent bei den Frauen auf körperliche Inaktivität zurückführen lassen."

Wie steht es mit körperlicher Aktivität und der Heilung von Krebs?

Dr. Kip: „ Studien konnten hier bereits zeigen, dass sich neben der Lebensqualität auch therapie- und krankheitsbedingte Nebenwirkungen durch systematisches körperliches Training positiv beeinflussen lassen."

* „Schmerzintensität, Stimmung und medizinische Maßnahmen bei Patienten mit prächronischen Rückenschmerzen der Universität Ulm", Volume 11, Nr. 2, April 1997 ** Grosse T, Kreulich K, Nägele H, Reer R, Petersen B, Braumann K-M et al. „Peripheres Muskelkrafttraining bei schwerer Herzinsuffizienz". Dtsch Z Sportmed 2001; 52: 11-4. *** 1. J Gerontol A Biol Sci Med Sci. 2005 Jun;60(6):768-76.Singh et al, 2005; 2. „Skeletal Muscle PGC-1alpha1 Modulates Kynurenine Metabolism and Mediates Resilience to Stress-induced Depression", Leandro Z. Agudelo et al.; Cell, DOI: 10.1016/j.cell.2014.07.051 **** Lancet, Volume 385, No. 9984, p2255-2263, 6 June 2015 (An der Studie nahmen 1.260 Finnen im Alter von 60 bis 77 Jahren teil. Ausgewählt wurden Senioren, die ein erhöhtes Demenzrisiko hatten und in Tests bereits erste Gedächtnislücken offenbarten.) ***** E. Bacchi et al.: Metabolic Effects of Aerobic Training and Resistance Training in Type 2 Diabetic Subjects - A randomized controlled Trial" (the RAED2 study). Diabetes Care February 16, 2012.

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