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Hirnerkrankung CTE soll Ex-NFL-Profi zum Mörder gemacht haben

Stöße auf den Kopf, durch Stürze oder Schläge, gehören im American Football dazu. Dabei sind Verletzungen im Hirn möglich. © Getty Images/iStockphoto/Moussa81

Der Fall des früheren Football-Profis Phillip Adams gibt Rätsel auf: Der ehemalige Cornerback hat vor zwei Jahren sechs Menschen und sich selbst umgebracht. Adams litt unter einem Kopftrauma, das eine Persönlichkeitsstörung ausgelöst haben könnte. Warum das wahrscheinlich ist - und wie auch Fußballprofis betroffen sind.


Für die Eltern von Phillip Adams hat der Kampf um Gerechtigkeit erst so richtig angefangen, als ihr Sohn schon tot war. Vor zwei Jahren hat der damals 32-Jährige in Rock Hill im US-Bundesstaat South Carolina zuerst sechs Menschen und dann sich selbst getötet. Die Eltern machen sein College, die South Carolina State University, für die Tat verantwortlich.


Ihr Vorwurf: Phillip Adams sei nicht ausreichend vor Hirnschäden gewarnt worden, die aufgrund von Kopftreffern beim American Football auftreten können. Die Hirnschäden sollen maßgeblich verantwortlich dafür sein, dass Adams zum sechsfachen Mörder wurde, sagt sein Vater. Ärzte bestätigen den Zusammenhang.


Stöße auf den Kopf, durch Stürze oder Schläge, gehören im American Football dazu. Dabei sind Verletzungen im Hirn möglich: Die Hirnmasse wird gegen den Schädelknochen gedrückt, wodurch Nervenzellen kaputtgehen können.


Eine der Krankheiten, die gerade bei Kontaktsportlern intensiv untersucht wird, ist die Chronisch Traumatische Enzephalopathie, kurz CTE. Die deutsche Neurologin Inga Koerte forscht seit 2009 an CTE - an der Diagnose und wie sie behandelt werden könnte. CTE gehört zu den neurodegenerativen Erkrankungen, das bedeutet, dass das Nervensystem langsam zerfällt. Die Symptome: "Zuerst kommt es zu Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen, Gedächtnisverlust und später auch zu motorischen Auffälligkeiten", sagt Koerte. Zuerst das Gehirn, dann der restliche Körper.


Dass Menschen, die wie der ehemalige NFL-Profi Phillip Adams an CTE erkrankt waren, aggressiv und verhaltensauffällig werden, hält Koerte für erwiesen. Vor allem bei einem bestimmten Typ der Krankheit - nämlich der früher auftretenden Form - gehe die Impulskontrolle verloren, "damit einhergeht auch eine Aggressivität, die in Handgreiflichkeit oder Verletzungen münden kann", erklärt die Neurologin. Adams' Familie argumentiert nun, das College hätte ihn über diese Folgen aufklären und schützen müssen.


Das ist aber gar nicht so einfach: Eine Diagnose sei aktuell nur möglich, "wenn man das Gehirn aufschneidet", erklärt Koerte. Sprich: Erst nach dem Tod kann eindeutig geklärt werden, ob jemand an CTE erkrankt war. Das liegt daran, dass bei CTE ein bestimmtes Protein, das Tau-Protein, in den Nervenzellen nachgewiesen werden muss.

Profisportler auch von Parkinson und Alzheimer betroffen


Wegen der Schwierigkeit, CTE eindeutig nachweisen zu können, brauche es "Diagnose-Kriterien, die wir bei Lebenden anwenden können", sagt Koerte. Die Neurologin zählt dazu eben Veränderungen der Persönlichkeit, Depressionen und einen Verlust der motorischen Fähigkeiten. Mehrere Studien mit aktuellen und ehemaligen NFL-Profis laufen gerade. Es wird aber noch dauern, bis sie verlässliche Ergebnisse geliefert haben.


Auch wenn die Studien, die Neurologin Koerte in München und in Boston betreut, hauptsächlich mit ehemaligen Football-Profis durchgeführt werden, ist mittlerweile klar, dass CTE - und andere neurodegenerative Erkrankungen - auch bei anderen ehemaligen Sportlern auftreten, zum Beispiel bei früheren Profifußballern. Parkinson und Alzheimer zählen ebenfalls dazu.


Die Gefahr von Kopfverletzungen beim Kontaktsport ist auch jenseits des American Football groß, zum Beispiel im Fußball. Gehirnerschütterungen können übersehen werden, besonders Kopfbälle sehen Mediziner kritisch. Ein generelles Kopfballverbot sei schwierig umzusetzen, sagt Koerte und vergleicht es mit einem generellen Alkohol- oder Rauchverbot.


"Klare medizinische Empfehlungen" hält sie aber für sehr wichtig. Bei Kindern sei ein Verbot sinnvoll und notwendig. Das zögert Erkrankungen immerhin hinaus - komplett vermeidbar sind sie momentan nicht, wenn sich an den Regeln von Kontaktsportarten nichts ändert.

Der Fall Phillip Adams befeuert die öffentliche Diskussion um Gehirnerschütterungen und Kopfbälle im Profisport. Die Klage seiner Eltern könnte zumindest ein Schritt sein, wenn es darum geht, die Regeln in Kontaktsportarten zu ändern, um Athleten mehr zu schützen.

Über die Expertin: Prof. Dr. Inga Katharina Koerte forscht an der LMU und an der Harvard Medical School über traumatische Hirnverletzungen. Die Wissenschaftlerin zählt zu den Preisträgerinnen des Prinzessin Therese von Bayern-Preises.


 Verwendete Quellen: Gespräch mit Prof. Dr. Inga Koerte alzheimer-forschung.de: Chronisch Traumatische Enzephalopathie spiegel.de: Phillip Adams litt an einer Hirnerkrankung sportbild: Machte eine Hirnerkrankung Phillip Adams zum Mörder? sueddeutsche.de: "Wir müssen die Risikofaktoren herausfinden" Original