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Michael Busch | Buschfilm - Selbstdarstellungssucht

aus "Das Buch der Gesichte"

Thailand. Rauchschwaden quellen aus den Fenstern einer kleinen Hütte. Dazu: bizarre Klänge einer E-Gitarre - von Michael Busch. Er steht vor der Leinwand, die den Film von Apichatpong Weerasethakul zeigt, und untermalt die Schwarzweiß-Aufnahmen. Dabei nutzt er die E-Gitarre als Streichinstrument und erzeugt mit dunklen, vibrierenden Tönen einen Stimmungsraum, der den Zuhörer langsam in den Bann zieht. Die Filmperformance ist der Auftakt zur Ausstellung „ Rencontres Internationales " im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Michael Busch ist Experimentalmusiker und Filmemacher. Das Neblige, Zarte ist Thema in vielen Arbeiten des Berliner Künstlers ebenso wie die Identität, denn auch sie ist für ihn etwas Flüchtiges, das zwischen Trugbild, Sinnestäuschung und Blendwerk innerer Landschaften oszilliert.

Michael, du hast den Eröffnungsfilm „Vapour" mit der E-Gitarre begleitet, heraus kam eine mitreißende Performance. War sie improvisiert? Teilweise. Ich kannte den Film vorher, habe dazu Sounds gesucht, die im Transitraum von Melodie und Geräusch angesiedelt sind. Im Film löst das Bild sich auch immer wieder im Nebel auf, dazu habe ich musikalische Entsprechungen gesucht. Im musikalischen Ablauf kommen dann Wiederholungsstrukturen, Variationen und beim Abspann so eine Art Coda vor, so ist es mehr ein Score als eine Improvisation. Dein aktuelles Filmprojekt „Das Buch der Gesichte" beschreibst du als eine Art Facebook-Chronik, ein Sammelsurium aus kurzen Texten, Clips, Fotos und Kommentaren. Inwiefern ist das Gesicht konstruierte Identität? Das Gesicht ist heute den Begehrlichkeiten der Biometrie ausgeliefert. Es soll wie der Fingerabdruck eine Person ausweisen, sie identifizieren. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, das in Selfies konstruiert wird, geschminkt und maskiert wird, oder bewusst verschleiert wird. Ich stelle mir vor, Arnulf Rainer schneidet seine Grimassen im Passbildautomaten auf dem Bürgeramt. Das wäre ein schöner Ausgangspunkt für ein Portraitprojekt. Meine Fragestellung war, was kann ein Portrait sein, wenn ich das Gesicht des Portraitierten ausspare? Zum Einen ist das dann Haltung, Bewegung, Körpersprache, zum Anderen werden dann auratische, nicht sichtbare Faktoren wichtig, auch so etwas wie Visionen - ich spiele dabei an auf die „Gesichte" biblischer Ikonografien - was aber wiederum total schwer in Filmbilder zu übersetzen ist. Jetzt mutiert das Projekt gerade in eine Richtung, dass ich mehr Landschaften und Räume filme, in denen Identität sich konstruiert. Was interessiert dich am Thema Identität/Trugbild, dass du es künstlerisch verarbeitest? Indem Identität und Trugbild durch einen Querstrich zusammengefasst werden, ist damit umrissen, was mich immer umtreibt. Das ist genau mein Sternchenthema. Selbstreferentielle und autobiografische Ansätze langweilen mich oft, weil da immer von der Entwicklung einer Persönlichkeit ausgegangen wird, an die ich so nicht glaube. Wenn man die ganzen buddhistischen Zwiebelschalen der Persönlichkeit häutet, bleiben einem am Ende oft nur Tränen, die den Blick verschleiern. In meinem letzten großen Filmprojekt „Das elektrische Paradies" schlüpfe ich in die Rolle eines naturwissenschaftlich-esoterischen Sektengründers, unternehme Zeitreisen zu mir zu Zeiten der „Wende", konstruiere so eine flüssige, chamäleonhafte Identität für mich. Subjekt ist so immer Objekt, ein Möglichkeitsraum, ein Spiel, etwas Vages, das ich unbedingt der Biometrie entgegenstellen will.
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