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Das Spiel mit den Kontrasten - über die Bildwelt von Haftbefehl

© Haftbefehl/Universal Urban

Baba Haft nimmt uns schon seit Jahren in Musikvideos mit in seine Welt. Einige Motive tauchen dabei immer wieder auf – wir schauen genauer hin.


Die Songs von Haftbefehl sind wie Filme, die Musikvideos dazu mittlerweile großes Kino. Früher bestimmten das Nachtleben, Drogen, Waffen und Gewalt die Videos, mittlerweile sind es eher Kontraste: Arm und Reich, Licht und Schatten, Gut und Böse. So unschlagbar wie die Kombination aus Bazzazian-Beats und Haftbefehl-Raps ist, so bildstark ist seit „Russisch Roulette“ die Kombination von Haftbefehl, EASYdoesit und Regisseur Chehad Abdallah, die seitdem für die meisten Videos des Babos verantwortlich zeichnen.


Offenbach & Frankfurt

Haftbefehl ist in Offenbach am Main in der Wohnanlage Mainpark aufgewachsen. Diese fünf Häuser (und ähnlich aussehende) sind auch in seinen Musikvideos zu sehen, egal ob im ersten Teil des Splitvideos „Ihr Hurensöhne/Saudi Arabi Money Rich“, „1999 Pt. 1“, „1999 Pt. 2“ und „Bolon“. Die Wohnanlage spiegelt seine damalige Lebensrealität: Frankfurt ist nur einen Katzensprung entfernt, lockt mit Geld und wildem Nachtleben. Genau dorthin nimmt uns Haftbefehl in „069“ mit. Spielcasinos, Nachtclubs und Drogen werden uns beispielsweise in „RADW“ und „Julius Cesar“ gezeigt, sowie natürlich die Frankfurter Skyline mit den Banken, die an den Wolken kratzen. Und auch wenn bei „Conan x Xenia“ mit Shirin David keine Stadt erkennbar ist, wird am Beginn des Videos die 069 – die Frankfurter Vorwahl – ins Telefon getippt.

Sonnenbrillen

Oft tragen Promis Sonnenbrillen, wenn sie nicht erkannt werden wollen, doch für Haftbefehl sind es Statussymbole mitten im Gesicht. Seit den Videos zu „Russisch Roulette“ wirkt es, als würde er seine Sonnenbrillen-Sammlung stetig erweitern, die Shades werden fast immer und überall getragen – egal ob bei Tag, bei Nacht oder in der Tiefgarage wie bei „Ich rolle mit meim Besten“. „Mathematik“ mit Till Lindemann, „Morgenstern“, „RADW“, „KMDF“, „Conan x Xenia“ sind nur einige weitere Beispiele. Die Brillen sind nicht nur Modeaccessoires, sondern wirken wie ein Selbstschutz und verleihen ihm eine Arroganz, die keiner weiteren Mimik benötigt.

Tiere

In Straßenrap-Videos gehören Listenhunde zum guten Ton und dürfen auch in dem einen oder anderen Haftbefehl-Video nicht fehlen. Doch im Video zu „Lass die Affen aus’m Zoo“ sind nicht nur Hunde, sondern auch ein Schimpanse mit einer Waffe zusehen. Die Steigerung davon: das angekettete Krokodil im „Ihr Hurensöhne/Saudi Arabi Money Rich“-Video, das von einer Frau im weißen Lacoste-Tennisoutfit gehalten wird. In „Morgenstern“ taucht im Strobolicht ein Skorpion auf, ebenso als Motiv auf einem der Morgenmäntel der Frauen im „KMDF“-Video. Der Skorpion verkörpert in der schamanischen Lehre Leben und Tod, in der Traumdeutung verheißt er das Ende des Leidens und bevorstehende Erlösung. Auf dem Morgenmantel der anderen Frau ist eine Schlange abgebildet, die hier für die Verführung und Sünde stehen könnte. Das passt auf jeden Fall zum Song und der weiteren Bildsprache: Eine Frau, die wie die Zuhälterin wirkt, hat Blut an den Händen und am Ende liegen zwei Frauen regungslos im Bett. Durch das Fenster fällt Tageslicht.

Die Wunde auf Haftbefehls Stirn bei „KMDF“ könnte eine Anspielung auf die Sage des Dajjal sein. Sie besagt, dass der Dajjal, vergleichbar mit dem Antichrist, vor dem „Tag der Auferstehung“ erscheinen soll. Die Gestalt symbolisiert den Täuscher, Betrüger oder Schwindler, und nur Gläubige können die Wunde auf seiner Stirn sehen.

Geld

Bei Baba Haft geht es um Schnapp, Para, Massari – kurz: um Geld. 2014 wurden Banken ausgeraubt („Julius Cesar“), kurz darauf standen Haftbefehl & Capo im Regen aus 500-Euro-Scheinen („Ihr Hurensöhne/Saudi Arabi Money Rich“). Im gleichen Video sind die Arme und Beine einer Frau mit Geldscheinen umwickelt. Das könnte nahelegen, dass der Körper einer Frau ihr größtes Kapital ist – oder sie trägt das Geld unter ihrer Kleidung, um Schwarzgeld zu verstecken? In „069“ und „Conan x Xenia“ wird Geld verbrannt, als wäre es nichts, während in „Bolon“ noch das Sofa aufgeschlitzt und die Wohnung verwüstet wird, um die Geldbündel mitzunehmen.

Der Trip: Conan x Xenia

„Conan x Xenia“ ist das Video mit der stärksten Bildsprache aus der „DWA“-Reihe. Haftbefehl sitzt mit Pelzmantel gut gelaunt in einem leeren Restaurant, ein weißer, weißhaariger Kellner präsentiert ihm auf dem Silbertablett eine nicht enden wollende Rechnung. Shirin David trägt ein Kriegerinnen-Outfit, das wie die Luxusvariante des Outfits der Kriegerprinzessin Xena (aus der gleichnamigen Fantasy-Serie) aussieht. Doch statt des Schwerts hat sie ein Maschinengewehr, das auf einer unendlich langen Limousine befestigt ist. Die Szene mit der einfahrenden Limousine zitiert das Video „Windowlicker“ von Aphex Twin – die Referenz wird per Aphex Twin-Logo auf der Limousine direkt im Video bestätigt. Während in Rapvideos meist leicht bekleidete Frauen die Autos polieren, übernehmen das hier Bedienstete in Smokings. Auch auffällig ist, dass die Richter ihre rechten Augen zuhalten – „auf dem rechten Auge blind“ ist als deutliche Kritik am Rechtssystem zu verstehen. Die Zähne, die auf Teller fallen, können für Verlust stehen, denn im Laufe des Videos ist ein demolierter Sportwagen zu sehen, Haftbefehl tanzt auf einem Haufen offiziell aussehender Schriftstücke und bewegt sich dann aus dem Hellen ins Dunkle. Am Ende landet er in einer Welt, die wie ein verzerrter Trip aussieht.

Schatten und Licht

Das Spiel mit Schatten und Licht taucht immer wieder in den Videos von Haftbefehl auf. Egal ob mit Strobo-Licht Hektik verbildlicht wird („Ihr Hurensöhne/Saudi Arabi Money Rich“), nur im Schattenspiel die Schlägerei zu erkennen ist („Morgenstern“) oder er vom Licht ins Dunkel geht („Conan x Xenia“). Auch Blaulicht ist immer wieder zu sehen und zeigt, wie allgegenwärtig die Polizei in seiner Lebensrealität war und ist. Rotes Licht steht meist für Gewaltszenen („Lass die Affen aus’m Zoo“) oder Szenen aus dem Rotlichtmilieu („KMDF“).

Wie die Albumcover ins Bild passen

Fernab von den Videos sind auch Haftis Cover ausdrucksstark. Die schwarze Zeichnung auf dem „DWA“-Cover erinnert an Gemälde von Basquiat, der in seiner Kunst sein Leiden und den Krieg in sich selbst zum Ausbruch brachte – ähnlich wie Haftbefehl in seiner Musik. Die Zeichnung könnte auch für den Teufel in seinem Kopf stehen, der Kontrast aus Schwarz und Weiß für Gut und Böse. (Das Motiv von weißer Wand und schwarzem Teufel tauchte schon im Musikvideo zu „Depressionen im Ghetto“ von 2015 auf.) Das Vorgängeralbum „Russisch Roulette“ ist dagegen sehr dunkel, die Bildwelt schwarz, das einzig Glänzende sind die Kette um Haftbefehls Hals und die Kugel in der Hand, die er uns mit durchdringendem Blick präsentiert. Obwohl keine Waffe abgebildet ist, ist die Botschaft klar.


Original