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Rassismus in Ostdeutschland: Man wird müde vom Kämpfen

Konrad Erben kann sich nicht an den Moment erinnern, in dem er erstmals von George Floyd gehört hat. Dass Afroamerikaner von weißen Polizisten getötet werden, ist für ihn eine Nachricht, an die er sich leider beinahe gewöhnen musste. Er versuche eigentlich, sagt er, so etwas von sich wegzuschieben. Zu schmerzhaft.

Doch beim Video von George Floyd, da sei ihm das mit dem Wegschieben irgendwann nicht mehr gelungen. "Solche Bilder sind für Schwarze Menschen retraumatisierend", sagt Konrad Erben. "In den ersten Tagen war ich wie gelähmt. Ich konnte nichts machen, außer zu versuchen, nicht daran zu zerbrechen."

Konrad Erben lebt nicht in den USA, er lebt in Deutschland. Er wurde 1989 in , DDR, geboren; sein Vater stammt aus dem Senegal. Er bezeichnet sich selbst als Schwarz, mit großem S, weil es dabei nicht um eine vermeintliche Hautfarbe gehe, sondern um einen Begriff, der Rassismus sichtbar machen solle. Konrad Erben ist, man kann das so sagen, ein politischer Aktivist.

An einem Vormittag der vergangenen Woche sitzt er in seiner Eineinhalb-Zimmer-Wohnung in Jena, beim Skype-Gespräch will er darüber reden, wie er die vergangenen Wochen wahrgenommen hat, und zwar: hier, in Thüringen, im Osten. Doch ausgerechnet jetzt, da man meinen könnte, Deutschland setze sich endlich mit Rassismus auseinander, es tue sich doch etwas, sagt er Dinge wie: "Ich habe den Glauben verloren, dass sich etwas ändert."

Ich habe Konrad Erben im vergangenen Sommer kennengelernt, während der Recherche für ein Buch über die ostdeutsche Nachwendekinder-Generation. Er erwartete mich in einer Strandbar, an einem seiner Lieblingsorte in Jena. Konrad Erben studiert in seiner Heimatstadt Soziale Arbeit und gibt an der Hochschule Seminare zum Thema Radikalisierung. Er war lange kommunalpolitisch aktiv, zeitweise in der . Ende 2018 hat er den Thüringer Landesverband der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) mitgegründet.

Das Erste, was mir an ihm aufgefallen war, sind seine vielen Tattoos. Auf der Außenseite seines rechten Unterarms steht zum Beispiel das Wort "Atlas". Atlas, wie die Figur in der griechischen Mythologie. Er trage das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern, um Mutter Erde zu schützen.

Wir redeten in brütender Sommerhitze über sein Ostdeutschsein, Plattenbauten, Jägerschnitzel, seine Identität und über Rassismus. Weil all das zu seinem Leben und damit zum Osten gehört. Er sprach über all das immer ruhig, in einem beinahe analytischen Ton.

Analytisch spricht er auch jetzt, auf dem Skype-Bildschirm. Aber anders als damals schüttelt er nun hin und wieder fassungslos den Kopf, wird lauter oder lacht an Stellen, an denen es nichts zu lachen gibt. Es wirkt mal wütend. Und mal resigniert. Öfter Letzteres.

Es ist einiges passiert seit unserem letzten Treffen, es ist einiges mit dem Osten passiert, und das wühlt ihn auf. Drei Landtagswahlen, bei denen die AfD schwindelerregend hohe Ergebnisse erzielte. Der rechtsextreme Anschlag von Halle. Die Wahl Thomas Kemmerichs zum Ministerpräsidenten mit Stimmen von CDU, FDP und AfD. Und dann Bodo Ramelow: Der erklärte nach seiner Wiederwahl zum Thüringer Regierungschef, dass er einen Landtagsvizepräsidenten der AfD mitgewählt habe. Das hat Konrad Erben wirklich erschüttert. "Er hat eine Partei unterstützt, die mir mein Existenzrecht in diesem Land abspricht", sagt er. "Mir wurde in dem Moment klar: Wir können uns auf niemanden verlassen. Auch nicht auf die Parteien, die sagen, sie würden diese Themen ernst nehmen."

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