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Bleibeberechtigt und wohnungslos

Copyright: Kevin Fernandez | unsplash.com

Von Valentine Auer

Viele bleibeberechtigte Geflüchtete sind in Wien mit Wohnungslosigkeit oder überteuerten Mieten konfrontiert. Anlässlich des Tags der Wohnungslosen am 11. September wirft DAS MAGAZIN einen Blick auf den erschwerten Zugang Geflüchteter zu leistbarem und menschenwürdigem Wohnraum.

Es beginnt mit der Entscheidung, das eigene Zuhause, die eigenen vier Wände, die vielleicht gar nicht mehr stehen, zu verlassen. In Wien angekommen endet es jedoch für immer mehr Menschen damit, nur schwer an diese eigenen vier Wände, die einen Rückzugsort, einen Ort des Ankommens, des Aufatmens darstellen könnten, wieder heranzukommen. Stattdessen sind viele bleibeberechtigte Geflüchtete von Wohnungslosigkeit betroffen oder leben unter schwierigen Bedingungen. Der Grund: Sowohl der Zugang zum sozialen Wohnbau als auch zum privaten Wohnungsmarkt ist für Geflüchtete schwierig. Sie sind mit institutionellen Ausgrenzungen ebenso konfrontiert wie mit Diskriminierungen und Ausbeutungen vonseiten privater Vermieter*innen.

Fehlender leistbarer Wohnraum

Vier Monate. So lange haben bleibeberechtigte Geflüchtete Zeit, um nach dem Erhalt ihres positiven Asylbescheids die Unterkunft im Rahmen der Grundversorgung zu verlassen und eine eigene Wohnung zu finden. Die tatsächliche Wohnungssuche dauert jedoch länger: Im Rahmen einer Studie der TU Wien zur Wohnsituation von Geflüchteten wurden 2016 und 2017 25 anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte interviewt, die seit dem Zeitpunkt der Erhebung bereits seit fünf Jahren in Wien leben. Das Ergebnis: Nur ¼ der Befragten leben nach 2,5 Jahren in sicheren Wohnverhältnissen. Sicher, aber nicht menschenwürdig. So wohnt zum Beispiel eine siebenköpfige Familie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung (54 m2). Auch nach fünf Jahren in Wien wohnt keine*r der Befragten in zufriedenstellenden Bedingungen, alle - auch jene zwei Personen, die es geschafft haben in eine Sozialwohnung zu kommen - sind weiterhin auf Wohnungssuche, um ihre Situation zu verbessern.

Bereits im Dezember 2016 kritisierte der Verband der Wiener Wohnungslosenhilfe diese Situation und erklärte, dass es zu wenig leistbaren Wohnraum gäbe, um sicherzustellen, dass sich Bleibeberechtigte nach diesen vier Monaten ein eigenes Zuhause leisten können. „Die Angebote wurden seitdem in geringen Ausmaß aufgestockt, freilich wäre der Bedarf aber noch höher", sagt Gernot Ecker, Vorstandsmitglied des Verbands Wiener Wohnungslosenhilfe, heute. Der Fonds Soziales Wien, der Angebote wie die Startwohnungen für Asylberechtigte verwaltet, agiere grundsätzlich als guter Partner, so Ecker, es sei lediglich eine Frage des vorhandenen Budgets.

Wohnungslosigkeit, Überbelag und überteuerte Mieten

Wienweit wurden 2017 rund 8.000 Menschen als permanent wohnungslos eingestuft, mehr als 7.000 Menschen waren zusätzlich temporär obdachlos und haben ein Angebot der Wiener Wohnungslosenhilfe in Anspruch genommen. Wie viele dieser Menschen Bleibeberechtigte sind, sei laut Ecker schwer einzuschätzen, zuverlässige Zahlen gäbe es keine. Die Entwicklung gehe derzeit jedoch in eine Richtung, in der vor allem Einzelpersonen von Angeboten der Wohnungslosenhilfe ausgeschlossen werden: „Kommt es zu einem der immer seltener werdenden positiven Asylbescheide, wandern vor allem Großfamilien mit einem erhöhten Betreuungsbedarf in die Wohnungslosenhilfe und somit in Startwohnungen oder ähnliche Einrichtungen weiter. Einzelpersonen müssen einen gesonderten Antrag für diese Einrichtungen stellen und werden häufig abgelehnt."

Die Folge sei oftmals Wohnungslosigkeit, aber auch das Leben in Unterkünften, die überteuert vermietet werden. Die sogenannten „Single Guys" haben sich vermehrt verselbstständigt, also gemeinsam eine eigene Unterkunft gefunden. Dort wohnen sie jedoch nicht nur überteuert, sondern sind auch mit schlechten Bedingungen wie Überbelag konfrontiert. „Das bedeutet keine Verbesserung ihrer Perspektiven, sondern nur, dass sie nicht mehr in dieser Menge in den Einrichtungen vorhanden sind und dadurch nicht in den Statistiken aufscheinen", so Ecker weiter.

Diskriminierungen am privaten Mietwohnungsmarkt

Die Gründe, wieso Geflüchtete trotz Bleibeberechtigung von Wohnungslosigkeit bedroht oder von schlechten Wohnverhältnissen betroffen sind, liegen vor allem in der Diskriminierung und Ausbeutung auf dem privaten Mietwohnungsmarkt, aber auch im Ausschluss vom öffentlichen Wohnraum. So erzählen die Interviewten in der Studie der TU Wien von den vielen „Nein's", die sie sich im Laufe der Wohnungssuche anhören mussten: Man müsse Deutsch sprechen, man müsse eine Arbeit haben. Selbst wenn es zu einer Besichtigung kommt, ist die Wahrscheinlichkeit die Wohnung zu erhalten gering. Die Hautfarbe wird von den Befragten als ein weiterer Grund für die Ablehnungen genannt. Zudem berichten die Interviewten von Wohnungsanzeigen, in denen die Ausländer*innen-Feindlichkeit auf den ersten Blick sichtbar war: „Keine Haustiere, keine Asylanten [sic]" war auf einer Anzeige zu lesen.

Um nicht in die Wohnungslosigkeit zu schlittern, nehmen die Betroffenen auch schlechte Mietverträge an. „Ihre unterlegene Position am privaten Mietwohnungsmarkt zwang die Newcomer nicht nur überhöhte Mieten zu akzeptieren, sie waren auch dankbar gegenüber jeder Person, die bereit war einen Vertrag abzuschließen", heißt es in der Studie. Eine schlechte Ausgangsbasis. Auch aufgrund der Vermieter*innen, die die Notlage dieser Menschen ausbeuten. Laut der Studienautorin Anita Aigner habe sich durch die schwierige Situation für Geflüchtete ein problematischer informeller Subwohnungsmarkt herausgebildet. Oftmals werden hier Schlafplätze (nicht Zimmer!) zwischen 200 und 350 Euro pro Monat ‚angeboten'.

Ausschlüsse beim öffentlichen Wohnraum

Und dann wäre da noch der soziale Wohnbau. Ein Bereich, in dem Wien als Vorbildstadt gilt. Dennoch: Die Hürden, um tatsächlichen Zugang zu öffentlichen Wohnraum für Bleibeberechtigte zu gewährleisten, sind zu hoch. Theoretisch haben zumindest anerkannte Flüchtlinge - im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigen - eine Zugangsberechtigung, die Praxis ist jedoch von Ausschlüssen geprägt, heißt es in der Studie der TU Wien. So müssen Menschen zwei Jahre lang durchgehend an der gleichen Wiener Adresse gemeldet sein, um ein Wiener Wohnticket und damit zumindest eine Chance für eine geförderte Wohnung zu erhalten. Eine Voraussetzung, die viele aufgrund oft erzwungener Umzüge, nicht erfüllt werden kann. Das gleiche gilt für das 2015 eingeführte Bonussystem, das ein Vorrücken in der Warteliste für Gemeindewohnungen um drei Monate pro fünf Jahre Meldezeit vorsieht. Neu Zugewanderte rücken damit noch weiter nach hinten.

All dies führt dazu, dass ein Ankommen in Österreich für viele Geflüchtete schwierig ist und mit langen Kämpfen, finanziellen Hürden und Sprachbarrieren sowie Diskriminierungserfahrungen und Ausländerfeindlichkeit einhergeht. „Probleme wie Erschwinglichkeit und Wohnungslosigkeit mögen in Städten, in denen hauptsächlich die ‚unsichtbare Hand des Marktes' regiert, dringender sein. Die Studie zeigt aber, dass unter den Bedingungen der Wohnungsknappheit, Geflüchtete in allen Bereichen von leistbaren Wohnen, auch in einer Stadt des sozialen Wohnbaus, kaum bessergestellt sind", so eine der abschließenden Schlussfolgerungen der Studie.

Weitere Informationen:

Die Studie der TU Wien ist online verfügbar: Anita Aigner, Housing entry pathways of refugees in Vienna, a city of social housing, Housing Studies (2018).

Die Migrations- und Diskriminierungsstudie (EU-MIDIS II) der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) zeigt, dass 23 Prozent der in der Studie befragten Migrant*innen in den letzten fünf Jahren vor der Befragung bei der Wohnungssuche diskriminiert wurden. Die gesamte Studie kann hier heruntergeladen werden: http://fra.europa.eu/en/project/2015/eu-midis-ii-european-union-minorities-and-discrimination-survey

[Foto: Kevin Fernandez | unsplash.com]

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