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Was eine neue Generation von Unternehmenszentralen über die Wirtschaft erzählt (2013)

Aus dem vielfach ausgezeichneten Hochtief-Kundenmagazin "concepts".

Headquarters Moderne Unternehmenszentralen lassen tief blicken. Und das ist sogar gewollt. Eine neue Generation von Gebäuden dokumentiert den Wandel der Wirtschaft.

Fast alle, die durch das Atrium des großen Glasgebäudes in der Hamburger Hafencity schlendern, verraten sich bereits durch ihre Kleidung. Teure Outdoorjacken, festes Schuhwerk und bunte Daypacks sind die untrüglichen Kennzeichen des nordeuropäischen Städtetouristen. Hinzu kommt meist ein Blick, in dem manchmal ein Hauch Desorientierung mitschimmert.

Die Mitarbeiter von Unilever, einem der größten Lebensmittel- und Körperpflegemittelhersteller der Welt, haben sich an diesen Anblick mittlerweile genauso gewöhnt wie an die riesigen Kreuzfahrtschiffe, die direkt vor der Tür festmachen. Wenn die in Hamburg heiß geliebte Queen Mary II hier liegt, sind es auch schon mal Zehntausende, die täglich durch das Gebäude laufen, im Shop einkaufen, das Café füllen oder neugierig dem Friseur beim Haareschneiden zusehen.

Nicht alle von ihnen werden bemerken, dass dies hier keine klassische Einkaufspassage ist, sondern eine der ungewöhnlichsten Unternehmenszentralen der Welt. Nur dezente Hinweisschilder weisen den Weg in den ersten Stock, ab wo das Reich beginnt, das den 1200 Mitarbeitern der deutschen Zentrale des britisch-niederländischen Konzerns vorbehalten ist.

Vielleicht schaut aber der eine oder andere Besucher zumindest auf das Leuchtdisplay am Eingang. Unter der Überschrift "Danke, ausgezeichnet!" sind hier nicht weniger als neun Design- und Architekturpreise aufgelistet, die das Gebäude seit seiner Fertigstellung 2009 erhalten hat. Besonders stolz ist man bei Unilever auf den World Architecture Festival Award 2009, bei dem die Unternehmenszentrale als "Bestes Bürogebäude der Welt" ausgezeichnet wurde.

Die baulichen und architektonischen Qualitäten der direkt an der Elbe gelegenen Deutschlandzentrale haben bei dieser und anderen Preisvergaben eine Rolle gespielt. So stand das Thema Nachhaltigkeit bei der Planung im Mittelpunkt. Ausgerüstet beispielsweise mit einer Betonkernkühlung, die Kälte aus dem Grundwasser zieht, und einer Energierückgewinnung durch Wärmetauscher im Dachbereich, kommt das siebenstöckige Gebäude mit wenig Energie zum Heizen und Kühlen aus. Auch die architektonisch auffällige Doppelfassade mit ihrer Außenhaut aus Ethylen-Tetrafluorethylen (ETFE) dient dazu, eine starke Aufheizung des Gebäudes zu verhindern.

Für Unilever, in der Vergangenheit oftmals in der Kritik, etwa für die Umweltzerstörung durch riesige Palmölplantagen, ist Nachhaltigkeit heute zentraler Teil der Unternehmensphilosophie. Aufgrund seiner Bemühungen erhielt das Unternehmen 2012 sogar den Deutschen Nachhaltigkeitspreis.

Unilever hat sich einem radikalen Kulturwandel unterzogen, der auch baulichen Ausdruck finden sollte. Wirkte das alte "Unilever-Hochaus" in der Hamburger Innenstadt - das wie das neue Hauptquartier von HOCHTIEF errichtet wurde - wie eine abweisende Trutzburg, so sollte die neue Zentrale auch die Entwicklung des Unternehmens widerspiegeln und vor allem Transparenz symbolisieren. Das große, helle Atrium ist bewusst als öffentlicher Raum gestaltet worden. Nur am Dienstagmorgen werden die Türen erst später geöffnet. Denn um 9.15 Uhr versammeln sich dann die Mitarbeiter auf den innenliegenden Galerien und Brücken. Die allwöchentliche Zusammenkunft dient der Kommunikation zwischen Management und Mitarbeitern, und damit der internen Transparenz bei Unilever.

Sieht so die Unternehmenszentrale der Zukunft aus?

Gebäude sind Botschaften. Sie drücken etwas aus, setzen Zeichen, spenden Identität. Gebäude spiegeln, bewusst oder nicht, diejenigen wider, die sie errichten ließen oder es sich in ihnen eingerichtet haben. Dieser Zusammenhang wird für Unternehmen, die sich zu repräsentieren wissen, zunehmend wichtig. Und so folgt die Architektur immer mehr der Botschaft, die das Unternehmen in die Welt senden möchte. Symbolisierten Entwürfe früherer Jahrzehnte eher Größe, Macht und Einfluss, so erzählen Unternehmenszentralen heute von Innovation, Veränderung, Nachhaltigkeit und Transparenz.

"Innovationen voranzutreiben und nachhaltig zu wirtschaften sind zwei der Eckpfeiler, auf der unsere Erfolgsgeschichte beruht. Der Lanxess Tower steht symbolisch für diese Werte", sagt auch Norbert Mimberg, der für den Spezialchemie-Konzern Lanxess gegenwärtig den Umzug von Leverkusen nach Köln plant und leitet.

Das Management von Lanxess zieht 2013 in einen maxCologne getauften Gebäudekomplex direkt am Rhein, schräg gegenüber des Kölner Doms. Dabei handelt es sich um die ehemalige Unternehmenszentrale der Lufthansa, einen vormals eher tristen Bau aus den 1970er Jahren, allerdings in bester Lage. HOCHTIEF hat das Gebäude von einem massiven Betonkragen, den früheren Fassaden und veralteter Technik befreit und völlig neu konzipiert. Auf 48 000 Quadratmetern entstehen hinter schicken Glasfassaden modernste Büroflächen, die wie beim Unilever-Haus unter anderem aus dem Grundwasser heraus regenerativ temperiert werden. Der Gebäudekomplex wird geteilt: in die siebenstöckigen "Rheinetagen", wo eine große Wirtschaftskanzlei und andere Unternehmen einziehen werden, und den 22 Stockwerke hohen Lanxess Tower.

Gebäude erzählen Geschichten, und damit sind sie auch Botschafter der Marke. Wenn Unilever seine Waren - Speiseeis, Pflegeprodukte oder Tütensuppen - im eigenen Hauptquartier zum Kauf anbietet, wird diese Verknüpfung zwischen Unternehmenszentrale und Marke weiter intensiviert.

Noch unmittelbarer wird dieser Zusammenhang, wenn die Zentrale mit Produkten gebaut wird, die vom Unternehmen selbst hergestellt werden. Ein solches Beispiel hat die HOCHTIEF-Tochter Turner in den USA für BASF realisiert. Beim Bau der neuen Nordamerika-Zentrale des Chemiekonzerns in Florham Park, New Jersey, hat das Turner-Team mehr als einhundert Produkte aus dem BASF-Portfolio in das Gebäude integriert, darunter speziellen Dämmschaum, wasserdurchlässige Bodenbeläge im Außenbereich, Spritzdämmungen für die Dächer oder innovative Fußbodenbeschichtungen. Die verwendeten BASF-Materialen trugen wesentlich dazu bei, ein besonders nachhaltiges Gebäude mit LEED-Platin-Zertifizierung durch das amerikanische Green Building Council zu errichten.

Für den Auftraggeber ist dies ein Schaufenster für die eigenen Produkte. "Unsere neue US-Zentrale führt anschaulich vor Augen, wie die BASF mit ihren Lösungen zu einer nachhaltigen Zukunft beiträgt", stellte Hans-Ulrich Engel, CEO der nordamerikanischen BASF Corporation und Finanzvorstand der BASF SE, anlässlich der offiziellen Eröffnung des Gebäudes im Mai 2012 fest.

Doch es ist keineswegs nur die Außenwirkung, die Unternehmen wie Unilever, Lanxess oder BASF interessiert. Nicht minder bedeutend ist die Wirkung des Gebäudes auf die eigenen Mitarbeiter. Die Zeiten der Käfighaltung sind lange vorbei. Was heute zählt, sind helle Räume und offene Strukturen, die Kommunikation und Kreativität beflügeln.

Auch für den Chemiekonzern Lanxess spielt neben der Nachhaltigkeit, dokumentiert durch das Goldzertifikat der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), die Funktionalität des Gebäudes eine wichtige Rolle. "Wir wollen unseren Mitarbeitern einen modernen Arbeitsplatz bieten, der auf Transparenz, Teamarbeit und ein flexibles Arbeitsmanagement ausgelegt ist", sagt beispielsweise Lanxess-Projektleiter Norbert Mimberg.

BASF wirbt bei seiner Nordamerika-Zentrale mit einer inspirierenden Arbeitsumgebung, gebäudeweitem W-Lan und unverbaubarem Blick ins Grüne. Konferenzräume und informelle Aufenthaltsräume sollen die Teamarbeit und die Innovationsfreude unterstützen. Besonders wichtig für die an künstliche Klimatisierung gewöhnten Amerikaner ist das Ventilationssystem, das gegenüber konventionellen Gebäuden um 30 Prozent besser ist und ein optimales Raumklima garantieren soll.

Im neuen Hamburger Unilever-Haus haben die meisten Konferenzräume einen fast romantischen Ausblick auf das Hafenpanorama, und zwischen den einzelnen Büroräumen gibt es viele offene Flächen, die dazu gedacht sind, von den Mitarbeitern frei genutzt und erobert zu werden.

Ein ganz besonderes Beispiel in diesem Zusammenhang ist das Projekt Westpac Place in Sydney. Leighton Properties hat diese Unternehmenszentrale für Westpac, eine der größten australischen Banken, entwickelt und realisiert. Hier drehte sich alles um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. "Unser neuer Arbeitsplatz wird nicht nur unsere Arbeitsabläufe unterstützen, er wird unsere Arbeit auch inspieren", so hatte es Unternehmenschef David Morgan seinen Mitarbeitern versprochen.

Westpac war zuvor auf elf verschiedene Standorte in Sydney verteilt. Die daraus resultierende Inneffizienz wurde mit dem Umzug beseitigt. Die Bank wünschte sich einen "großartigen Platz zum Arbeiten", und fand ihn in dem von Leighton Contractors errichtetem 32-Stockwerke-Komplex, dem zweitgrößten Einzelgebäude der Metropole, das einen ganzen Straßenblock einnimmt. Um diesen Ort für die Mitarbeiter optimal zu gestalten, sandte die Bank Kundschafter in die ganze Welt, um die innovativsten Bürogebäude zu studieren. Umfangreiche Mitarbeiterbefragungen stellten das spätere Innenraum-Design auf geradezu wissenschaftlich fundierte Füße.

Das Resultat im 2006 fertiggestellten Gebäude erinnert in weiten Teilen an das Ambiente von Designhotels oder Kunstgalerien, nicht an eine Bank. Doch der Aufwand scheint sich gelohnt zu haben. Nachbefragungen unter den 5000 Mitarbeitern stellten fest, dass über 80 Prozent der Meinung waren, in dem neuen Headquarter effizienter und produktiver zu arbeiten als zuvor.


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