Wie ein Holzbrett ist der Vorhang gemasert, und als er sich hebt, gibt er den Blick frei auf einen Bretterboden, auf dem eine Bretterbude steht. Dahinter: ein himmelblauer Bühnenhorizont, bemalt mit weißen Wattewölkchen. Kulissenhafter kann eine Kulisse nicht sein. Und theaterhafter kann ein Abend im deutschsprachigen Stadttheater zurzeit nicht werden. Denn drauflos brettern wird hier und heute Herbert Fritsch, einst Volldampf-Schauspieler, jetzt Volldampf-Regisseur. Sein Programm: radikale Künstlichkeit.
Fritsch hat sich vor einigen Jahren angeschickt, zwei Ex-Partner zu versöhnen und neu zu vermählen: das Stadttheater und den Humor. Im Deutschen Schauspielhaus Hamburg exerziert er sein Erfolgsrezept nun anhand Molières Beziehungskomödie "Die Schule der Frauen": einer grob gezimmerten Farce, in der die Logik zu kurz kommen mag, das Lachen sicher nicht. Der alternde Zyniker Arnolphe spottet über all die Ehemänner seiner Stadt, die sich von durchtriebenen Frauen betrügen lassen. Er selbst glaubt, vorgesorgt zu haben: Er hat sich schon vor Jahren des Mädchens Agnès angenommen, um es in einem Kloster zu Demut, Duldsamkeit und vor allem Dummheit erziehen zu lassen; nun will er sie heiraten. "Die Hässlichste, selbst wenn's mein Auge kränkt, zög ich der Schönsten vor, die zu viel denkt." Agnès jedoch hat sich in Horace verguckt, und so gerät Arnolphe gründlich auf den Holzweg.
Fritsch hat Victoria Behr, seine kongeniale Kostümbildnerin, mit nach Hamburg gebracht. Schon mehr als ein Dutzend seiner Produktionen hat sie ausgestattet - und sich nun erneut für Kostüme entschieden, die knallen und kreischen bis unters Schauspieldach. Sie impfen den Schauspielern einen Schuss Wahnsinn ein: grell zerschminkte Gesichter, zauselige Perücken und Haartürme ...