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Ihr Vorbild ist ein Dortmunder

Die 19-jährige Ricarda Walkling aus Obergriesbach hat mit dem FC Bayern und der Fußball-Nationalmannschaft schon viel erlebt. In den USA wartet eine neue Herausforderung

Von Thomas Hürner


Es ist Ende Mai 2015, am Münchner Marienplatz tummeln sich Tausende Fußballfans mit rot-weißen Trikots, Schals und Fahnen. Der FC Bayern ist mal wieder deutscher Meister geworden. Auf dem Balkon stehen bereits Größen wie Nationaltorwart Manuel Neuer. Stadionsprecher Stephan Lehmann sorgt für Stimmung und ruft weitere Stars aus, damit sie sich von Anhängern feiern lassen. Jetzt sind Claudio Pizarro und Juan Bernat dran. Doch sie kommen in Begleitung einer jungen Frau, sie ist laut Lehmann die kleinste und jüngste auf dem Balkon: Ricarda Walkling ist mit der Damenmannschaft des FC Bayern auch deutsche Meisterin geworden, der doppelte Titel wird gemeinsam zelebriert.

„Das war schon etwas Besonderes", sagt Walkling rückblickend. Als die 19-Jährige im Kindesalter beim SV Obergriesbach mit dem Fußballspielen begann, war eine solche Karriere noch nicht absehbar. Über Schwaben Augsburg ging es vor sechs Jahren dann in die Jugend des großen FC Bayern. „Damals war es unglaublich aufregend", erzählt sie. Nach der langen Zeit habe sich Walkling aber daran gewöhnt, bei einem der größten Fußballklubs überhaupt zu spielen, es sei Alltag und ihr Job.

Die 1,57 Meter kleine Mittelfeldspielerin überzeugt vor allem durch ausgefeilte Technik und präzise Pässe, fühlt sich in der Rolle des Spielmachers am wohlsten. „Ich liebe die Freiheit, die man hier hat", sagt sie und fügt hinzu: „Ich kann sowohl im Zentrum als auch auf Außen am Spielgeschehen teilnehmen." Ein sportliches Vorbild hat Walkling auch, es ist aber kein klassischer Spielmacher und auch noch ein Dortmunder: Marco Reus. Eine Gemeinsamkeit haben sie aber, sie sind beide deutsche Nationalspieler.

Walkling debütierte im September 2012 für die deutsche U16 gegen die Auswahl Norwegens, ist seither fester Bestandteil der DFB-Nachwuchsteams. Ihr Heimatland bei einem offiziellen Länderspiel zu vertreten, ist für die 19-Jährige immer noch das Größte: „Bei der Hymne bekomme ich jedes Mal wieder Gänsehaut." Der Höhepunkt war die U17-Europameisterschaft 2013 in England. Walkling bestritt alle fünf Begegnungen, zeigte sich in Bestform. Sie traf beim 4:0-Sieg im Gruppenspiel gegen Frankreich, ihr Tor beim 1:0 im Halbfinale gegen Italien ebnete ihrer Mannschaft den Weg ins Finale. Dieses gewann die DFB-Elf schließlich mit 3:1 im Elfmeterschießen gegen die Auswahl Spaniens. Walkling: „Der EM-Titel war mein schönstes Erlebnis bisher, er ist durch nichts zu ersetzen."

Doch der Profifußball ist hart, Erfolg und Misserfolg, Freude und Enttäuschung gehen Hand in Hand. Walkling hat es bis in die Bundesliga-Mannschaft des FC Bayern geschafft, debütierte bereits im Alter von 16 Jahren. Sie ist derzeit aber keine Stammspielerin. „Die Konkurrenz ist einfach riesig", sagt die 19-Jährige. Auch wenn die Spielmacherin gerne jedes Wochenende von Beginn an spielen würde, weiß sie um ihre Rolle im Bayern-Kollektiv: „Wichtig ist, dass die Mannschaft erfolgreich ist und dafür müssen alle an einem Strang ziehen."

Generell sei die Stimmung bei den FCB-Damen blendend, alle verstehen sich super. Mit Melanie Leupolz, der wohl bekanntesten Bayern-Spielerin, pflegt Walkling ein inniges Verhältnis. „Sie ist eine meiner besten Freundinnen", erzählt sie. Mit einem Augenzwinkern verrät die Obergriesbacherin weiter: „Und das, obwohl sie genau meine Position spielt."

Zwar sei es Walklings erklärtes Ziel, eines Tages im Profibereich Fuß zu fassen, ihre Ausbildung lässt sie dabei aber nicht zu kurz kommen. Derzeit besucht sie das Gymnasium Schrobenhausen und bereitet sich auf die Abiturprüfungen vor. Leistungssport und Schule unter einen Hut zu bringen, ist aber nicht einfach. Gerade die vielen Länderspielreisen bereiten Probleme. „Der Umstand, dass mein Schuldirektor viel Verständnis aufbringt und mich unterstützt, hilft mir aber sehr", erzählt die angehende Abiturientin. Während der Reisen sind zwei Lehrer vom DFB dabei, der Unterrichtsstoff wird von der Schule zur Verfügung gestellt und mit ihnen durchgepaukt.

Wenn die Prüfungen erst einmal geschafft sind, steht für Walkling ein neues Abenteuer an. Sie verlässt den FC Bayern dann erst einmal und tritt ein Stipendium bei der North Carolina State University in den USA an. Dort wird sie Hotel- und Tourismusmanagement studieren und natürlich für das College-Team Fußball spielen. „Ich bin jetzt so lange beim FC Bayern und wollte etwas Neues", sagt sie. „Über eine Rückkehr haben wir aber schon gesprochen." Obwohl sich die 19-Jährige für vier Spielzeiten verpflichtet hat, kann sie jährlich nach Deutschland zurückkehren. Walkling: „Es war mir wichtig, mir alle Möglichkeiten offen zu halten."

Der Kontakt sei über ihren Berater zustande gekommen, die 19-Jährige freut sich bereits auf die neue Aufgabe in den Vereinigten Staaten. Für sie ist College-Fußball kein Rückschritt in der Karriereleiter: „Dort ist alles mindestens genauso professionell, in Sachen Athletik ist man uns dort vielleicht sogar noch einen Schritt voraus." Sie wolle vor allem neue Erfahrungen sammeln, sich charakterlich weiterentwickeln.

Bis es so weit ist, steht für Walkling aber der nächste Höhepunkt an. Mit der U19 gelang ihr die Qualifikation für die Europameisterschaft in der Slowakei, Mitte Juli geht es los. Das Ziel ist nicht weniger als der Titel. Walkling: „Dann kann ich voller Selbstbewusstsein meine neue Herausforderung in den USA antreten."

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