Herr Aris, Sie beobachten seit Jahren die Fifa skeptisch. Was stört Sie am Weltverband?
Die FIFA spricht immer von Fairplay und Respekt und wirbt mit diesen Begriffen, aber hinter den Kulissen findet dann genau das Gegenteil statt: Korruption und Bestechung. Das ist schade, weil man mit dem Geld der FIFA so viele Projekte für Kinder, Jugendliche oder Behinderte – wie zum Beispiel unser integratives Bildungsprojekt „Ein Ball, Eine Welt“ – fördern könnte. Die Gier einer kleinen Gruppe verhindert die Entwicklung von vielen Menschen.
Mehrere Top-Funktionäre und Vertraute von Sepp Blatter wurden nun verhaftet. Hat Sie das überrascht?
Jetzt kurz vor dem Kongress kam es unerwartet. Alles sah bisher nach einem einfachen Wahlerfolg Blatters aus. Grundsätzlich überrascht es mich nicht, weil die Korruption System hat. Die FIFA hat sich in den letzten Jahren unfähig gezeigt, diese Probleme selbst zu lösen.
Blatter weigerte sich nach dem neuerlichen Korruptionsskandal zurückzutreten. Stattdessen wurde er wieder gewählt und wies die Verantwortung von sich. Warum kommt er damit durch?
Das System der Korruption betrifft wahrscheinlich noch viel mehr Personen – nicht nur die bisher Beschuldigten. Viele Funktionäre haben etwas zu verbergen, daher wählen sie jemanden, der ihre Interessen seit Jahren vertreten hat. Besonders die kleineren Verbände haben von den Zahlungen der FIFA profitiert. Da ist wahrscheinlich viel Geld in private Hände anstatt in Fußball-Entwicklungsprojekte geflossen.
Was müsste geschehen, damit Blatter zurücktritt?
Wenn die Sponsoren ihr Geld zurückziehen, wird es eng. Sie sollten jetzt eigentlich mehr Druck machen, denn eine weitere Amtszeit Blatters würde auch ihrem Image schaden.
Was erwarten Sie vom DFB?
Ich wünsche mir ein klares Statement von Präsident Wolfgang Niersbach. Genug ist einfach genug. Der DFB ist der größte Fußballverband der Welt und kann etwas verändern, wenn er sich Verbündete sucht. Wenn Deutschland gemeinsam mit anderen Ländern wie England oder Frankreich eine WM boykottieren würde, wäre das ein starkes Signal.
Was könnte ein neuer FIFA-Präsident bewirken?
Ein neuer Präsident – wann immer er kommt – kann ein Zeichen setzen. Ob er an dem tief verwurzelten System der Korruption tatsächlich etwas ändert könnte, bezweifle ich. Egal wer auf Blatter folgt: Er wird es sehr schwer haben.
Sie haben mit dem Projekt „The Ball" drei Pilgerreisen zu Weltmeisterschaften unternommen und Dutzende Länder bereist. Was denken die einfachen Fans von der Fifa?
Die große Mehrheit sagt: Wir lieben den Fußball, aber wir vertrauen dem Verband nicht. Da gibt es einen tiefen inneren Konflikt. Ich habe mehrere Tausend Menschen weltweit getroffen und das Erstaunliche war: Kaum jemand hat ein gutes Wort über die Fifa verloren.
Bei der WM vor einem Jahr in Brasilien haben Sie im Gegensatz zu anderen Turnieren kein einziges Spiel im Stadion verfolgt.
Das stimmt. Uns wurden Karten für ein Spiel im Maracana in Rio de Janeiro angeboten. Aber wir waren sehr enttäuscht, dass es den oft armen Menschen, die direkt neben dem Stadion wohnen, verboten war, in einem 2-Kilometer-Radius um das Stadion Getränke oder Snacks zu verkaufen. Sie wurden in ihrem eigenen Land von der WM ausgeschlossen. Das hat mich traurig gemacht – und macht es noch immer.
Inwieweit beeinflusst die Entwicklung innerhalb des Weltverbandes Ihre Vereinsarbeit?
Die Entscheidungen die jetzt getroffen werden, beeinflussen die Arbeit an der Basis, die wir seit Jahren machen, nicht. Spirit of Football wird weiterhin die Werte von positiver Fußballkultur weitergeben. Werte, mit denen sich die FIFA bisher nur schmückt. Im Schuljahr 2015/16 führen wir unser Bildungsprojekt „Ein Ball, eine Welt“ an Schulen in Thüringen weiter.
Wäre bei aller Kritik der Weltfußball ohne die Fifa denkbar?
Man könnte theoretisch einen alternativen Verband aufbauen. Im Weltfußball ist aber so viel Geld und Macht im Spiel, dass so eine Idee leicht verhindert werden kann. Es ist ja auch nicht alles schlecht, was die FIFA tut, aber vieles kann einfach besser gemacht werden. Fußball ist nicht nur ein Spiel um Quoten, Umsätze und Gewinne.
Interview: Thomas Fritz
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