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Wie rettet man gleichzeitig die Zukunft der Landwirte und die Natur?

180 Hektar Obst werden in Buchholz angepflanzt. Das Wasser für die Sonderkulturen kommt nicht direkt aus der Elz, aber aus Kanälen, die von der Elz gespeist werden. Bisher durften die Landwirte die Wasserentnahme jedes Jahr ein bisschen steigern. Jetzt ist damit Schluss. Der Verbrauch muss reduziert werden, sagt das Landratsamt. Es ist ein Konflikt, in dem es um mehr geht als nur um Erdbeeren.


"Wir probieren hier alles, was geht", sagt Georg Schwehr. "Andere Bewässerungssysteme, Versuche mit anderen Sorten, wir machen im Prinzip dasselbe wie alle anderen auch, europaweit." Mit seiner Tochter Nicole sitzt er an einem langen Plastiktisch in der Lagerhalle seines Betriebs in Buchholz, hinter ihm stapeln sich Erdbeerkisten. Gleich nebenan liegt eines seiner Felder, 103 Hektar besitzt er insgesamt. 103 Hektar Früchte, die Wasser brauchen.

Mit Grundwasser darf nachgepumpt werden


Schwehr ist nicht nur einer der größten Obsthändler in Buchholz, er ist auch Vorsitzender des Beregnungsverbandes Mittlere Elz, in dem sich seit 2001 Landwirte aus Buchholz, Denzlingen, Kollmarsreute und Sexau zusammengeschlossen haben, um mit dem Landratsamt Emmendingen über ihr Wasserrecht zu verhandeln. Schon seit den 1990ern ist es ihnen verboten, Wasser aus Flüssen und Bächen zu entnehmen. Stattdessen kam und kommt es aus einem Netz aus Bewässerungsgräben und -kanälen, Verteilereinrichtungen und Wehren, in das auch immer wieder Wasser aus Elz und Glotter fließt. Mit dem Landratsamt einigte man sich 2001 auf folgende Vorgehensweise: Wird diesem System zu viel Wasser entnommen oder führen Elz und Glotter zu wenig, darf der Beregnungsverband Grundwasser nachpumpen. Das wiederum kommt aus insgesamt 25 Tiefbrunnen, die der Verband entlang der Hauptwasserverläufe gebohrt hat, auf eigene Kosten.


Aber die wasserrechtliche Genehmigung ist ausgelaufen – eigentlich schon seit 2014. Jahr für Jahr hatte sie das Landratsamt verlängert, die Entnahmemengen regelmäßig gesteigert. Den Landwirten sei das entgegengekommen, so Schwehr, denn erst im Laufe der Jahre habe man über Zählermessungen erfassen können, wie viel man jährlich brauche – insgesamt nämlich zwischen 400 000 und 600 000 Kubikmeter.

Landratsamt verlangt deutliche Reduzierung


Nun kommt der Kurswechsel. Die neue, im Juli 2021 erteilte Genehmigung schraubt die Entnahmen zurück. Im Detail: 367 500 Kubikmeter dürfen die Landwirte aus dem Grundwasser für die nächsten zehn Jahre ins Gewässersystem pumpen, bei einer monatlichen Orientierungsmenge von 30 000 Kubikmeter. Was die Entnahme aus Oberflächengewässern angeht, will das Landratsamt eine deutliche Reduzierung. 2021 und 2022 sind es noch 122 500 Kubikmeter für Frostschutz- und Zusatzberegnung, 2023 dann 90 000, 2024 maximal 55 000, ab 2025 noch 36 000 – nur noch für Frostschutzberegnung und nur zwischen dem 15. März und dem 15. Mai.

Der Verband sieht als einzige Lösung, neue Brunnen zu bohren, um auch die Gebiete zu versorgen, die momentan ohne sind und die bisher mit Oberflächenwasser versorgt wurden. Das Problem: Schon bei den 25 Tiefbrunnen habe es viele Fehlbohrungen gegeben, die kein Grundwasser zu Tage brachten. Geeignete Orte zu finden sei deshalb schwierig, die Kosten für die Bohrungen hätten sich enorm gesteigert. Leitungen könne man nicht legen; Fahrradwege, Bahntrassen, Kabel, Straßen, Flüsse seien im Weg. "Jetzt sitzen wir da", sagt Schwehr und zuckt mit den Schultern.

Betriebe sollen auf Wasser sparende Beregnungsformen umsteigen


Nur schlägt das Papier aus dem Landratsamt auch etwas anderes vor. Nämlich eine konsequente Einführung von Wasser sparenden Beregnungsformen. Vor allem im Bezug auf die Erdbeere, die im Bereich des Beregnungsverbands noch zu 35 Prozent über Sprinkleranlagen von oben gewässert werde. Diese "Überkopfbewässerung" ist kostengünstig, schützt vor Hitze und Frost, ist einfach zu warten und versorgt viele Hektar. Sie verbraucht aber mehr Wasser als die Tropfbewässerung, die direkt an die Wurzel geht. Die schrittweise Reduzierung erlaube es dem Verband, Technik und Bewirtschaftung anzupassen, schreibt das Landratsamt. Die beantragte Erhöhung der Jahresmenge von bis zu 25 Prozent in Trockenjahren wird abgelehnt, aufgrund der "Sensibilität der Lage". Die Existenz der Betriebe sehe man nicht gefährdet.

"Höre ich dann mit dem Frostschutz auf? Meine Kultur ist dann kaputt." Georg Schwehr

Schwehr sagt das Gegenteil. Sein Betrieb sei sehr wohl gefährdet. Denn was passiere, wenn es in einem Jahr 23 Frostnächte gebe und in der 24. Frostnacht sei die maximal erlaubte Wasserentnahme erreicht? "Höre ich dann mit dem Frostschutz auf? Meine Kultur ist dann kaputt", sagt er. Seine Meinung als Unternehmer lautet: Mit dem Wasser so sparsam umgehen wie möglich – solange die Kulturen nicht gefährdet sind. Auch den Vorwurf der veralteten Technik will er nicht hören. "In Spanien können die auch nichts anderes machen als das, was wir hier machen", gibt er sich sicher.


Wassersparende Technik kostet viel Geld – das ist nicht vorhanden


Draußen neben der Halle zeigt er sein Erdbeerfeld. Hier wachsen die Früchte in langen Plastikschläuchen. Bewässert werden sie über eine Anlage, die für den Laien nicht spektakulär aussieht, es laut Schwehr aber ist: eine Pumpe, ein Schlauch und ein kleiner Computer. Der steuere die Wasserzufuhr, die die Kulturen gerade bräuchten. Einmal pro Woche komme ein Berater vorbei und programmiere die Bewässerungszeiten neu, abhängig vom Zustand der Pflanze. Auch nötige Zusätze wie Stickstoff oder Phosphor würden berechnet. Jede Pflanze bekomme so exakt das, was sie brauche. Von der Pumpe fließt das Wasser in langen dünnen Schläuchen und wird über Spieße direkt an die Wurzeln der Erdbeeren geleitet, die im Substrat stecken. Was an Regenwasser noch hinzukomme, werde als Drainagewasser aufgefangen. Klar ginge mehr Hightech – aber das Prinzip dieser wassersparenden Tröpfchenbewässerung sei überall das gleiche.

Allerdings, gibt Schwehr zu, hat er diese Technik nur auf fünf Hektar installiert. Sie überall einzusetzen, würde zu viel kosten. Was er investiere, müsse er schließlich am Ende des Jahres wieder herausholen. Acht Euro würde ihn das Kilo Erdbeeren aus Substratanbau kosten. Verkaufen konnte er diese Saison nur für vier Euro. Und selbst wenn er die Technik überall installieren würde – das Wasser müsse trotzdem erstmal zum Feld kommen. Deshalb sei die Priorität momentan, Brunnen zu bauen.


Für viele Unternehmen lohnen sich die Investitionen nicht einmal langfristig


Was sich in Buchholz abspielt, ist ein Konflikt, wie es ihn in ganz Deutschland gibt: Auf der einen Seite steht der Kampf gegen die Klimakrise, gegen austrocknende Flüsse und Fischbestände, die zurückgehen. Auf der anderen Seite sind die Landwirte, die für eine klimafreundlichere Bewirtschaftung Tausende Euro investieren müssten, die sie erstens nicht haben, weil sie mit der Konkurrenz aus dem Ausland kämpfen, während sie gleichzeitig deutsche und europäische Auflagen einhalten müssen. Und für die es sich zweitens nicht einmal lohnt, große Summen zu investieren, weil sie ohnehin die Jahre bis zur Rente zählen. Denn viele haben keine Nachfolger für ihre Betriebe.

Nikolaus Geiler vom Freiburger Verein Regiowasser will zwischen beiden Seiten vermitteln. Er ist Hydrologe, arbeitet in der Wasserwirtschaft und -politik und würde am liebsten alle mit ins Boot holen: die Landwirte, die umdenken, die Naturschützer, die Verständnis zeigen, Politik und Verwaltung, die dringend fördern müssen. Für Buchholz sieht er eine Lösung in einer Marketingkampagne unter dem Motto "lachsfreundliche Erdbeere". Zusammen mit seiner Kollegin Agnes Wilke steht er am Wagmattenwehr in Buchholz, links die Elz, rechts ein riesiges Erdbeerfeld. Hier ist eine Stelle, wo Wasser aus dem Kanalsystem gespeist wird.

Marketingkampagne soll Buchholzer Erdbeere helfen


Geiler erklärt seine Idee: Um weniger Wasser zu verbrauchen, müsste der Beerenanbau im Elztal zurückgeschraubt werden. Weil die Früchte dann aber noch weniger konkurrenzfähig sind, sollen die Erdbeeren ein Label bekommen, das zeigt, dass sie Lachse schützen. Das wiederum soll über eine Kampagne bei den Verbrauchern bekannt gemacht werden. Warum der Lachs? "Weil er der Beweis ist für den erforderlichen Ökostandard", sagt Geiler. Kurz gesagt: Lebt der Lachs wieder im Fluss, ist der gesund.

Nicht nur die Marketingkampagne soll den Bauern helfen. Es soll am besten auch ein Zentrum für intelligente Bewässerung in Buchholz entstehen. Agnes Wilke, die im europaweit größten Erdbeeranbaugebiet im spanischen Huelva studiert hat, zählt Techniken auf, die dort eingesetzt werden: Feuchtigkeitssensoren, die auf Wachstum und Wetter abgestimmt die Pflanze mit Wasser versorgen, Photovoltaikanlagen, die sie vor Hitze, Hagel und Starkniederschlag schützten und gleichzeitig Strom produzieren. Oder Bäume und Sträucher, die zwischen den Sonderkulturen wachsen, um so Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit zu steigern.


Beregnungsverband hält wenig von den Ideen


Sie war federführend an der Entwicklung der Marketingkampagne beteiligt und ist überzeugt, dass die Buchholzer Erdbeere mit Regionalität und Naturschutz punkten könnte – "wo, wenn nicht hier" im Raum Freiburg, wo Verbraucher ohnehin bewusster einkaufen als in anderen Regionen. Sogar einen Erdbeerkönig könnte man analog zur Weinkönigin krönen. Der Verein sei bereits auf Politiker zugegangen, ergänzt Geiler, genauso wie auf Naturschutzinitiativen oder regionale Supermärkte. Alle wären für das Projekt.

Spricht man Schwehr darauf an, winkt er ab. Marktwirtschaftlich sei das alles nicht umsetzbar. Rechtlich gebe es bei Photovoltaikanlagen noch große Hindernisse. Mit Politikern sei er auch in Kontakt. Und was das Marketing angeht, da sollten erstmal die "Regional"-Schilder aus den Supermärkten verschwinden, die auf Waren aus zum Teil ganz Deutschland kleben. Marketing, das könne schon funktionieren, hakt seine Tochter ein. Nur das "lachskompatibel" würde irritieren.

Die Zukunft sind in jedem Fall schlecht aus


In einem Punkt sind sich alle einig: Der Fruchtanbau in Buchholz wird zurückgehen. Die Konkurrenzpreise aus dem Ausland zwingen die Landwirte dazu, sagt Schwehr. Erdbeeren für 80 Cent im April, dafür könne er nicht mal ernten. Auf die Frage, wie er seinen Betrieb aufrüsten würde, würde Geld keine Rolle spielen, lacht er trocken. "Dann würde ich keine Erdbeeren machen." Angefangen habe er mit Wein, das war zu teuer, er baute Äpfel an, zu teuer, er produzierte Himbeeren, zu teuer, jetzt sei auch die Erdbeere nicht mehr rentabel. Jederzeit würde er wasser- und ressourcensparend produzieren wollen. Es müsse ihm nur jemand zeigen, wie man es besser machen kann, als er es jetzt tut. Und das habe bisher noch niemand gekonnt.

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