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Bundesverwaltungsgericht prüft: Die "Gretchenfrage" des Kükenschredderns

Gilt Unwirtschaftlichkeit als "vernünftiger Grund" für das Töten von männlichen Küken? Darüber entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Das Wichtigste vorab.

Das Bundesverwaltungsgericht prüft, ob das massenhafte Töten männlicher Küken rechtmäßig ist. Quelle: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Sie sind klein, sie sind gelb, und sie sind wertlos. Zumindest für die Legehennen-Industrie. Und genau deswegen müssen sie sterben. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 42 Millionen männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen getötet. Sie können keine Eier legen und setzen zu wenig Fleisch an, als dass sie als Masthähnchen taugen würden. Deshalb bringen sie den Bauern keinen Profit.

Die Konsequenz? Nach dem Schlüpfen werden die sogenannten Bruderküken aussortiert, mit Kohlenstoffdioxid betäubt und getötet. Auch das "Schreddern" der Tiere ist als Tötungsverfahren grundsätzlich zulässig - ob Züchter die Küken aber tatsächlich in den Häcksler jagen, ist unbekannt. Trotzdem ist "Kükenschreddern" momentan das Aufreger-Thema bei Tierschützern, Politikern und natürlich in der Legehennen-Industrie. Die Forderung, das Töten männlicher Küken zu verbieten, wird immer lauter. Nun verhandelt das Bundesverwaltungsgericht, ob das Kükentöten mit dem Tierschutzgesetz vereinbar ist. Es wird "um nichts Geringeres als die Gretchenfrage des deutschen Tierschutzgesetzes gehen", sagt Rechtsanwalt Christian Arleth von der Tierrechtsorganisation Peta.

Hintergrund ist ein Erlass von 2013 des Landwirtschaftsministeriums in Nordrhein-Westfalen, das damals die Ordnungsbehörden zu einem Verbot der Kükentötung angewiesen hat. Dagegen zogen Brütereien vor Gericht und setzten sich vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster durch. Das Gesetz stellt das Töten von Wirbeltieren grundsätzlich unter Strafe, es sei denn, es gibt dafür einen "vernünftigen Grund". Da das Aufziehen der männlichen Küken für die Brütereien unwirtschaftlich ist, liegt ein vernünftiger Grund vor, urteilte das OVG Münster.

Neben Peta setzt auch der Deutsche Tierschutzbund darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht wirtschaftliche Interessen nicht als "vernünftigen Grund" für die Kükentötung anerkennt. "Jedes andere Urteil wäre ein ethischer Skandal und würde von der großen Mehrheit der Gesellschaft nicht akzeptiert", erklärt Verbandspräsident Thomas Schröder. Ein Verbot des Verfahrens ohne Alternative würde hingegen dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft zufolge "mittelfristig zu erheblichen Lücken" bei der Versorgung mit Eiern führen. Die Branche möchte demnach aus dem "weltweit praktizierten Kükentöten" erst aussteigen, "sobald eine praxistaugliche Alternative vorliegt".

Alternative soll 2020 kommen

Ähnlich argumentiert auch die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag das Ende des Kükentötens zur Mitte der Legislaturperiode, also zum Herbst 2019, geplant hat. Im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums entwickelt die Universität Leipzig ein Verfahren zur Geschlechterbestimmung im Ei, wodurch männliche Küken erst gar nicht mehr ausgebrütet werden sollen. Diese Methode stehe allerdings erst 2020 allgemein zur Verfügung. "Dann greift das Tierschutzgesetz, das das Schreddern verbietet", so Ressortchefin Julia Klöckner. NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser erklärt dazu im Interview mit heute.de: "Dass es bei der technischen Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren zu zeitlichen, nicht vorhersehbaren Verzögerungen kommen kann, können und sollten wir der Bundesregierung nicht anlasten." Dabei ist es ihr Vorgänger, der 2013 die Behörden zum Verbot der Kükentötung angewiesen hat.

Peta-Anwalt Arleth erhofft sich von dem heutigen Gerichtstermin auch eine konkrete zeitliche Ansage: "Das Bundesverwaltungsgericht muss seiner Rolle als Gesetzeshüter nachkommen" und einen verbindlichen Termin zur Einführung der Alternativverfahren vorschreiben. Unter dem Motto "Kükenmord stoppen" kündigt Peta Demonstrationen vor dem Bundesverwaltungsgericht an. Die Aktivisten wollen mit Kükenmasken und Bannern ein Zeichen für den Tierschutz setzen.

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