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Neues Tierhaltungs-Label: Fleisch aus guter Haltung? Viel Spaß beim Suchen

Die Politik diskutiert noch, die Supermärkte handeln: Ab heute gibt es ein einheitliches Tierhaltungslabel. Das zeigt: Eine wirklich "gute" Haltung gibt es in Deutschland kaum.

Vier Stufen, vier Farben. So einfach soll es sein, das neue Label auf der Fleischverpackung im Supermarkt, welches die in der Initiative Tierwohl engagierten Handelsketten jetzt eingeführt haben. Mit dem Aufkleber "Haltungsform" soll der Verbraucher schneller und unkompliziert über die Haltungsbedingungen von Fleisch, Rind und Geflügel informiert werden.

Stufe 1 steht für "Stallhaltung". Die blaue Stufe 2 für "Stallhaltung Plus", also 10 Prozent mehr Platz im Stall, die Stufe 3 für "Außenklima" und die grüne Stufe 4 für "Premium" - dazu zählt auch Biofleisch. "Es ist kein neues Prüfprogramm, es ist kein neues Label, sondern es ist eine Einordnung, ein Rahmen für die bestehenden Programme die es schon gibt", erklärt Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung. Dabei bezieht er sich auf die vielen verschiedenen Aufkleber, die bisher auf Fleischverpackungen zu finden sind - und oft beim Verbraucher für Verwirrung sorgen: Diverse Bio-Symbole, verschiedene Farbampeln oder die Sticker mit dem blauen Haken der Initiative Tierwohl.

Haltungsstufe 2 bis 4 kaum vertreten

Die vielen Labels sollen jetzt in die passenden Stufen des neuen "Haltungsform"-Siegels eingeordnet werden. Fleisch, das das EU-Bio-Siegel trägt, fällt zum Beispiel in Stufe 4: Premium. Fleisch mit dem Aufkleber der Initiative Tierwohl hingegen landet in Stufe 2: Stallhaltung Plus. Es finden demnach keine eigenen Kontrollen statt - die bereits vorhandenen Labels werden nur sortiert. Das Ergebnis ist erschreckend: Alexander Hinrichs rechnet nach der Einführung des neuen Symbols bei den Stufen 2, 3 und 4 gerade mal mit einer Marktabdeckung von ein bis zwei Prozent. Verbraucher werden also fast ausschließlich Fleisch der Stufe 1 im Supermarkt finden - das entspricht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Noch weniger wäre also verboten.

Branche hat Bundesregierung überholt

Trotz Schwächen: Mit der gemeinsamen Lösung hat die Branche die Bundesregierung überholt. Denn das staatliche Tierwohllabel von Agrarministerin Julia Klöckner soll erst ab 2020 kommen - und dann auch nur für Schweine gelten. "Das Klöckner-Label ist damit gescheitert, bevor es starten konnte", sagt Grünen-Ernährungsexpertin Renate Künast. Das Bundesministerium arbeite schon seit vier Jahren an einer freiwilligen Kennzeichnung. "Warten auf Godot, das macht der Handel nun nicht länger mit." Beispiel Schwein der Haltungsstufe 1: Hier ist Kastration ohne Betäubung erlaubt. Im Stall erhält das Schwein mindestens 0,75 Quadratmeter und ein Spielzeug. Bei Stufe 2 gibt es etwa ein DIN-A4-Blatt mehr Fläche und Beschäftigungsmaterial.

Das Klöckner-Label ist damit gescheitert, bevor es starten konnte.

Renate Künast, Grünen-Politikerin

Obwohl sich mehr als 80 Prozent des Einzelhandels auf das einheitliche Label geeinigt haben, wird es weiterhin viele Verpackungen ohne den Aufkleber geben - die Kennzeichnung ist nämlich für Bauern und Hersteller freiwillig. Außerdem ist das Siegel vorerst nur für verpacktes Fleisch und nicht an der Frische-Theke vorgesehen. Agrarministerin Klöckner verteidigt sich und bezeichnet das neue Siegel des Handels als unzureichend. "Das staatliche Tierwohlkennzeichen, das ich anstrebe, das ist dagegen viel umfassender", sagte sie im Inforadio des RBB.

Das staatliche Tierwohlkennzeichen, das ich anstrebe, das ist dagegen viel umfassender.

Julia Klöckner, Landwirtschaftsministerin, CDU

Die Verbraucherorganisation Foodwatch geht mit ihrer Kritik noch weiter und sieht im neuen Label eine "Mogelpackung". Sprecher Matthias Wolfschmidt sagt: "Bei der sogenannten Tierwohlkennzeichnung geht es ausschließlich um formale Haltungsbedingungen, also etwa Platz, Spielmöglichkeiten oder Auslauf im Freien."

"Das garantiert nicht, dass es den Tieren gut geht - viel zu oft sind Nutztiere krank, leiden und haben Schmerzen." Die Verbraucher können also ab sofort mit einer einheitlicheren Kennzeichnung im Kühlregal rechnen. Vollständige Transparenz in Bezug auf das Tierwohl wird es aber weiterhin nicht geben.

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