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torial Blog | Netzwelt-Rückblick August: RSS, Alex Jones, Google in China

Auf einem Plakat inszeniert sich Alex Jones als Zensur-Opfer. Screenshot: Infowars.com

Mit diesem Post starten wir eine neue Serie: Unser monatlicher Social-Media-Rückblick fasst die wichtigsten Entwicklungen und Debatten aus der Netzwelt zusammen. Alles, was man zu den großen Playern, aber auch zu netzpolitischen und medienethischen Fragen wissen muss, selbst wenn man den vergangenen Monat auf dem Mond verbracht hat.

Hier ist unser Best-Of-August:


Warum RSS unverzichtbar für die Meinungsbildung ist

Kennen Sie RSS? Schon mal gehört, aber nie richtig verwendet? Dann sind Sie in guter Gesellschaft. RSS, das Dateiformat, das es erlaubt, automatisch über neue Beiträge auf einer Website informiert zu werden, ist nie so recht über das Nischenstadium hinausgekommen. Totgesagt worden ist es schon mehrmals. Vor fünf Jahren, als Google seinen Reader einstellte. Und jetzt wieder, da Mozilla die RSS-Abo-Funktion aus dem Firefox-Browser entfernt hat. Aber für einen Abgesang auf RSS ist es viel zu früh, findet SZ-Redakteur Simon Hurtz. Die RSS-Heavy-User arbeiten lieber mit webbasierten RSS-Readern wie Feedly oder Inoreader. Und denen geht es gut. Hurtz hat eine Art Liebeserklärung an die RSS-Technologie geschrieben, in der er RSS mit Algorithmen vergleicht: Während die Algorithmen von Facebook, Twitter und Co. wie eine Kantine sind, ist RSS wie selber kochen. Will heißen: Wer RSS-Feeds abonniert, vertraut auf sein eigenes Urteil und macht sich nicht von der intransparenten Auswahl von Algorithmen abhängig.


Der Fall Alex Jones: Wer darf wen wann warum sperren?

Alex Jones ist einer der bekanntesten Verschwörungstheoretiker im Internet. Jones verbreitet unter anderem, die US-Regierung sei verantwortlich für die Anschläge vom 11. September. Den Amoklauf in der Sandy-Hook-Grundschule hält er für fingiert und Impfungen verursachen in Jones' Welt Autismus. Anfang August sperrten Apple, Facebook, YouTube, Spotify seinen Account. Twitter, wo Jones mit zwei Accounts sehr aktiv ist, tat das zunächst nicht, was dem Netzwerk, speziell CEO Jack Dorsey, massive Kritik einbrachte. Erst als Jones Mitte August seine Anhänger in einem Video dazu aufrief, ihre Gewehre zum Einsatz gegen die Medien bereit zu machen, sperrte auch Twitter die Accounts von Jones selbst und der von ihm betriebenen Infowars-Seite. Meike Laaff diskutiert in ihrem Artikel auf taz.de die Frage, inwieweit sich Social-Media-Konzerne zum Richter über Wahrheit und Lüge machen sollen und wie sie ihre Entscheidungen begründen. David Greene von der US-NGO Electronic Frontier Foundation reflektiert die Jones-Zensur-Debatte in einem Gastbeitrag für die Washington Post und macht konkrete Vorschläge, wie eine sinnvolle und transparente Moderationspolitik aussehen könnte.


Projekt Dragonfly: Knickt Google doch vor der chinesischen Zensur ein?

Weltmeister im Zensurieren ist China. 2010 war die Zensur für Google der Grund, sich aus dem chinesischen Markt zurückzuziehen. Acht Jahre später scheint Google seine Bedenken gegen eine zensurierte Version seiner Suchmaschine fallen gelassen zu haben. Wie die investigative US-Website The Intercept berichtet, arbeitet Google schon seit längerem am Projekt "Dragonfly ": einer chinesischen Google-Version, die Ergebnisse über Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Dissidenten herausfiltert. Das wäre schlicht unvereinbar mit Googles Motto "Don't be evil" - und hat dem Suchmaschinen-Giganten massive Kritik eingetragen, nicht nur von Menschenrechtsorganisationen, sondern auch von den eigenen Mitarbeitern. Ein offizielles Statement von Google gibt es immer noch nicht.


Amazon bezahlt Mitarbeiter für positive Tweets

Während Google in China also unerwünschte Inhalte unterdrückt, startet Amazon eine, allerdings ziemlich ungeschickte, Charmeoffensive. Die Online-Shopping-Plattform bezahlt Mitarbeiter offensichtlich dafür, sich auf Twitter lobend über ihren Arbeitgeber zu äußern bzw. negativen Meinungsäußerungen über Amazon zu widersprechen. Der Bayerische Rundunk ordnet die Aktion in den Kampf Amazons gegen negative Presse ein.


Facebook bewertet Nutzer nach Glaubwürdigkeit

Facebook steht ja besonders unter Beschuss, wenn es um die Verbreitung von Fake News und Desinformation geht. Nun ergreift das größte soziale Netzwerk der Welt eine neue Maßnahme im Kampf gegen Fake News: Es hat einen sogenannten Reputation Score eingeführt, bewertet also die Glaubwürdigkeit eines Nutzers, auf einer Skala von 0-1. Wie genau es das tut, verrät Facebook natürlich wieder mal nicht. Die Washington Post fasst zusammen, was man über den reputation score weiß und welche Rolle er in der Facebook-Strategie gegen Fake News spielt.


Facebook Custom Audiences: Mehr Tracking geht nicht

Um Facebook geht es auch in meinem letzten Linktipp. Facebook gilt als einer der größten Datensammler der Welt, ein gutes Beispiel dafür ist das Custom-Audiences-Programm. Die Idee dahinter: Websitebetreiber liefern Facebook Nutzerdaten, nicht nur von ihrer Website, sondern anhand eines Facebook-Trackers auch vom sonstige Surfverhalten der Nutzer. Facebook verwendet diese Daten dazu, um die Nutzer in so genannte Zielgruppen einzuteilen. Die Websitebetreiber können dann auf Facebook Werbeanzeigen erstellen, die nur ganz bestimmten Zielgruppen angezeigt wird. Auf onlinejournalismus.de zeigt Matthias Eberl, wie auch Spiegel Online oder Zeit Online das Custom-Audiences-Programm einsetzen - obwohl es auf den Seiten immer wieder Beiträge gibt, die sich sehr kritisch mit Facebooks Datensammelwut auseinandersetzen.


Das war's für den August, bis zum nächsten Social-Media-Rückblick grüßt Sie

Bernd Oswald

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