Eigentlich will er nichts sagen: „Mein Deutsch ist nicht gut." Dann aber siegt in Kadir Dogan der Frust über die Sprachbarriere: „Das ist scheiße. Jeden Tag die Treppen hoch und runter bis in den achten Stock." Im Hochhaus am Schwalbacher Marktplatz 11 steht der Fahrstuhl seit dem 24. Juli still - und jeder Bewohner vor der Frage: Wie bekomme ich die Wasserkisten in die Wohnung, und was passiert, wenn der Notarzt kommen muss?
Der Aufzug gehe seit zwei Jahren in regelmäßigen Abständen kaputt, sagt Dogan. Einmal sei er sogar 45 Tage am Stück ausgefallen. Ob er mit der Hausverwaltung geredet habe? „Ist niemand da, nie." Und der Aufzug sei auch nicht das einzige Problem. Manchmal sei der Wasserdruck zu niedrig, vor allem in den oberen Stockwerken.
Auf der Tür des Aufzugs klebt ein Zettel: „Diese Anlage ist derzeit außer Betrieb. Wir arbeiten daran - für Ihre Sicherheit und Ihren Komfort." Im Treppenhaus sucht man den Komfort vergebens: Es ist schmutzig. Hier hat lange niemand mehr saubergemacht. Die unverputzten Wände erinnern eher an den Zugang zu einem Parkhaus, nicht an ein Haus, in dem Menschen leben.
Keine Alternative: Die Bewohner müssen mehrmals am Tag die Treppen hoch- und runtersteigen, auch mit Kleinkind und Kinderwagen. Foto: Rolf OeserDer Fahrstuhl und das Treppenhaus sind Symptome eine größeren Problems: „Die ganze Wohnanlage wird verkauft von einem Investor zum anderen - Interesse an den Menschen, die hier wohnen, haben sie nicht. Ihnen geht es um die Rendite", sagt Dr. Adalbert Sapok. Deswegen der kaputte Fahrstuhl, deswegen der Zustand der Treppenhäuser. Der Arzt sitzt auf einem grünen Gummiball. Seine Praxis liegt im ersten Stock des „Bunten Riesen" - für etliche seiner Patienten eine große Herausforderung. Der Arzt und seine Mitarbeiterinnen haben schon vielen geholfen, die Stufen zur Praxis zu bewältigen.
Nur einen einzigen Fahrstuhl, dunkle Ecken vor dem Haus: Bei der bei der Planung seine viele Fehler gemacht worden, sagt Sapok, der auch für die CDU im Stadtparlament sitzt. Die Häuser zehn, elf, zwölf seien durch den Keller verbunden. „Das haben sich Dealer zunutzegemacht."
Der Keller habe ein Eigenleben. „In dieser Unterwelt tummeln sich Gestalten, die Sachen verkaufen oder sich vor der Polizei verstecken." Hier kommt der Aufzug wieder ins Spiel: „Um in Ruhe ihre Geschäfte machen zu können, blockieren sie dessen Tür." Wenn er überhaupt fährt.
Offenbach Uringeruch und Müll in Offenbacher WohnanlageDie Zustände in einem Hochhaus im Offenbacher Stadtteil Bieber sind schockierend. Doch die kommunale Wohnungsbaugesellschaft unternimmt nichts gegen die Verwahrlosung.
Wahrscheinlich müsse er ein bisschen leiser sprechen, sagt Sapok lächelnd und zeigt aus dem Fenster, „sonst hören mich die Jungs da unten." Auf dem Platz vor dem Haus liegt ein Spielplatz wie angeschwemmtes Treibholz. Der Anstrich der Häuser, die ihn umgeben, ist verblasst: blasses Orange und blasses Rosa vor grauen Wolken. Nur ein einziges Kind spielt auf dem kleinen Klettergerüst mit Rutsche. Seine Großeltern sind misstrauisch: „Können Sie sich ausweisen?", fragt der Mann, der seinen Namen nicht nennen will. Dann kommt er ins Reden: Es sei ja bekannt, dass der alte Eigentümer des Hauses kaum etwas investiert habe. „Da hat sich einiges angestaut."
Seit 35 Jahren wohnt das Rentnerehepaar in Schwalbach und hat natürlich vom kaputten Aufzug gehört: „Er würde länger halten, wenn man ein bisschen sorgsamer damit umginge." Sapok erzählt, viele ehemalige Geschäfte seien nur noch Lagerräume. Der Friseur ist weg, viele andere Händler auch. Die Schaufenster der Läden im Erdgeschoss des Hochhauses sind mit Pappe zugeklebt. Der Aufzug leide auch darunter, „dass die Lageristen damit ihre Ware aus dem Keller transportieren, obwohl er nur für die Beförderung von Personen konzipiert ist", sagt der Arzt.
Nichts geht mehr – mal wieder. Foto: Rolf OEserDer Großvater macht sich mit Frau und Enkelin auf den Heimweg. „Leider gibt's keine Bänke hier", sagt seine Frau, schön sei das nicht. „Man müsste diese ganzen Baracken vor dem Haus abreißen und einen großen, freien Platz daraus machen", sagt der Mann. Adalbert Sapok geht noch weiter: Am besten sei es, wenn die Stadt den Wohnkomplex kaufe und saniere. „Schwalbach hätte genug Geld - auch für einen funktionierenden Aufzug."