„Ich wünsche mir in diesem Jahr mal Weihnacht´, wie es früher war." Der Anfang von Jutta Gorniks Gedicht spiegelt eine neuzeitliche Sehnsucht wider, die Sehnsucht nach warmer Menschlichkeit mit Herz und Sinn anstatt unterkühltem Massenmaterialismus im Cyberstress. Chris Cringle spürt auch diese Sehnsucht - nur weniger romantisiert, dafür knallhart ökonomisch. Denn auch der Weihnachtsmann hat Rechnungen und Gehälter zu zahlen. Da bleibt nicht viel Platz für Besinnlichkeit, was man ihm auch deutlich anmerkt: Dunkle Augenringe, knurriger Pessimismus und ein Stammplatz am Tresen der örtlichen Kneipe gehören für Chris zum Alltag. Nur alte Akten mit Fotos glücklicher Kinder, mehrseitige Auftragslisten vergangener Jahrzehnte und die liebevolle Art seiner Frau Ruth erinnern ihn an bessere Tage. Mit FATMAN widmen sich Ian und Eshom Nelms einer neuen, raubeinigen Facette des Weihnachtsmann-Mythos und liefern mit Mel „Mad Max" Gibson die Idealbesetzung. Die Rolle des enttäuschten Idealisten verkörpert Gibson mit jedem Blick aus seinen stahlblauen Augen, den eine Mischung aus aggressiver Resignation und Billigfusel verschwimmen lässt. Hinzu kommt seine körperliche Präsenz, die er beim Verdreschen des Sandsacks während seines täglichen Workouts eindrucksvoll demonstriert. Und zudem schaffen es die Gebrüder Nelms in unscheinbaren Szenen, dem kratzbürstigen Flanellhemdträger etwas von seiner sagenumwobenen Güte zu entlocken. Einen großen Anteil hieran hat vor allem Marianne Jean-Baptiste, die den Geist der Weihnacht mit warmen Worten und backfrischen Plätzchen fühlbar transportiert.
Wer jetzt fälschlicherweise den Eindruck bekommt, FATMAN sei ein klassischer Weihnachtsfilm mit moralischem Kern, den muss ich enttäuschen. Viel mehr ist er ein Western, dessen Handlungsaufbau sich auf den finalen Showdown zuspitzt. Und für diesen Showdown braucht man auch einen Bösewicht. Den liefert uns Walton Goggins mit absolut zynischer Inbrunst. Dem verbitterten Attentäter wurde als Kind sein Herzenswunsch vom Weihnachtsmann verwehrt, nämlich ein paar neue Eltern. Stattdessen bekam er nur ein Spielzeug-Polizeiauto geschenkt. So entwickelte er eine Verbissenheit gegenüber allem, was mit Weihnachten zu tun hat - beleuchteter Sammelvitrine mit ersteigertem Weihnachtsspielzeug inklusive. Knallhart und ohne Gnade erledigt er seine Jobs. So dauert es nicht lange, bis der vermögende und übertrieben ehrgeizige Junge Billy ihn engagiert - um niemand geringeren umzulegen als den Weihnachtsmann selbst. Der Grund: Ein Stück Kohle zum letzten Weihnachtsfest. Somit ist der Grundstein der Handlung gelegt.