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Haselnüsse für Nutella vergiften Chile

Eine der wichtigsten Zutaten für die Produkte des Süßwarenherstellers Ferrero sind Haselnüsse. Die werden unter anderem in Chile angebaut - unter fragwürdigen Bedingungen.

Die Haselnussproduktion in Chile boomt. 95 Prozent der chilenischen Haselnüsse wurden im vergangenen Jahr nach Italien exportiert, wie Zahlen des chilenischen Agrarministeriums belegen. Hauptabnehmer ist Ferrero, denn mehr als die Hälfte der Produkte des Unternehmens beinhalten Haselnüsse, darunter die beliebte Nuss-Nougat-Creme Nutella. Die weltweite Nachfrage nach Nutella steigt stetig.

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Die kalorienreiche Creme, die süchtig macht

Die meisten Haselnüsse von Ferrero werden in der Türkei und in Italien angebaut. Aber die Bedeutung von Chile als Produktionsland wächst zunehmend. "Wir wollen die Produktion in Chile weiter ausbauen und das Land in einen der Hauptlieferanten für Ferrero verwandeln", sagte der Manager der Hazelnut Company Lucio Gomiero 2015 zur chilenischen Tageszeitung "El Mercurio".

Ferrero ließ sich 1991 unter dem Namen Agrichile in dem südamerikanischen Land nieder. Ein Vorteil ist, dass in Chile Sommer ist, während auf der Nordhalbkugel Winter ist. Der Website des Unternehmens zufolge betrug die Anbaufläche von Haselnüssen im vergangenen Jahr 3500 Hektar, in diesem Jahr soll sie 4200 Hektar überschreiten. Die Felder befinden sich in drei Regionen im Süden Chiles: El Maule, Biobío und La Araucanía. Die Produktion von Agrichile ist 2018 um 16 Prozent angestiegen auf 23 Millionen Tonnen.

Lasche Umweltgesetze in Chile

Ein Grund für die steigende Produktion von Haselnüssen in Chile ist vermutlich die lasche Umweltgesetzgebung. Die fehlenden Regulierungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln machen den Anbau kostengünstiger und effizienter. Auf den Haselnuss-Plantagen wird das wahrscheinlich krebserregende Glyphosat eingesetzt. Agrichile steht außerdem unter dem Verdacht, das giftige Pflanzenschutzmittel Paraquat zu verwenden. Paraquat wurde von der englischen Firma Imperial Chemical Industries entwickelt, deren Agrarsparte heute Teil des Schweizer Unternehmens Syngenta ist. In Chile wird das Umweltgift von Arysta und Anasac vermarktet.

Untersuchungen des Pestizid-Aktion-Netzwerks in Chile RAP (Red de Acción en Plaguicidas y sus Alternativas en Chile) warnen vor Gesundheitsschäden durch den Einsatz von Paraquat wie Nierenversagen, Atemnot, Lungenschmerzen, Seh- und Leberschäden, schweren Hautverletzungen, Todesfällen sowie Embryoschädigung. In der Europäischen Union ist Paraquat verboten, in Chile nicht.

"Wir versuchen seit Jahren zu erreichen, dass Paraquat in Chile verboten wird", sagt María Elena Rozas vom Pesticide Action Network in Chile. "Aber die Lobby der transnationalen Unternehmen ist stärker. Syngenta kam mit einem Team von Anwälten und hat mit den Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums gesprochen. Wir konnten lediglich eine leichte Einschränkung erreichen. Paraquat darf jetzt nicht mehr auf dem Luftweg verwendet werden."

Betroffen sind Kinder und Frauen

In den USA, wo Paraquat ebenfalls erlaubt ist, hat eine Studie nachgewiesen, dass es Schäden im Nervensystem und Parkinson verursachen kann. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche, die in der unmittelbaren Umgebung leben und die Frauen, die auf den Feldern arbeiten.

Universitt Chile - Andrei Tchernitchin Sophia Boddenberg

Andrei Tchernitchin von der Universität de Chile

Andrei Tchernitchin ist Toxikologe an der medizinischen Fakultät der Universidad de Chile. Er untersucht die gesundheitlichen Auswirkungen von Agrargiften. "Der pränatale und frühkindliche Kontakt mit Umweltgiften verursacht unwiderrufliche Schäden. In dieser Zeit werden die Hormonrezeptoren der Zellen für das restliche Leben programmiert. Auch wenn die Mutter oder das Kind nur wenige Tage im Kontakt mit einer chemischen Substanz sind, kann die Zelle sich irren und mehr oder weniger Rezeptoren programmieren. Dieser Unterschied verursacht neuronale Schäden, wenn es sich um Neurotransmitter handelt oder Gesundheitsschäden, wenn es sich um Hormonrezeptoren handelt."

In Chile gibt es nur sehr wenige Studien über die Auswirkungen von Umweltgiften. Deshalb sind die direkten Zusammenhänge nur schwer nachweisbar. María Elena Rozas vom Pesticide Action Network erschwert das zusätzlich die Arbeit. Es gebe keine Untersuchungen vom Umwelt- oder Gesundheitsministerium. "Das einzige, was die chilenischen Politiker interessiert, sind Wirtschaftszahlen. Sie wollen mehr Wirtschaftswachstum, aber die Gesundheit und die Umwelt sind ihnen gleichgültig", sagt sie.


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