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EU-Chile: Freihandel oder Neokolonialismus?

Chiles Hauptstadt Santiago

Avocados, Lachs, Wein und Kupfer sind einige der Produkte, die Chile in die Europäische Union exportiert. Auch Lithium, das für die Produktion von Elektroautos benötigt wird, stößt im Ausland auf Interesse.

Für Chile macht der Handel mit der EU 14 Prozent des Gesamthandels aus. Die EU ist der drittgrößte Handelspartner des Landes, nach China und den USA. Während Chile größtenteils Rohstoffe in die EU exportiert, kauft es aus Europa vor allem Fahrzeuge, Maschinen, Elektronik und Chemieprodukte - im vergangenen Jahr für 8,8 Milliarden Euro.

Die EU ist außerdem Chiles größter Investor. Ein neues Freihandelsabkommen soll die Handelsbeziehungen bald vertiefen.

Ein politisches Zeichen

Chile gehört zu den Ländern mit der größten Anzahl an Freihandels- und Investitionsabkommen, derzeit sind es 25. Verhandlungen laufen zudem mit China, Brasilien, Südkorea und der EU. Die Gespräche mit den Europäern drehen sich um die Modernisierung eines Assoziierungsabkommens, das schon seit 2003 besteht.

Nach dem Globalabkommen mit Mexiko, das 2000 in Kraft trat, war Chile das erste lateinamerikanische Land, mit dem die EU ein Assoziierungsabkommen abschloss.

Bisher gab es zwei Verhandlungsrunden, die nächste steht Ende des Jahres an. Ziel ist es, ein neues, moderneres Freihandelsabkommen zu unterschreiben, erklärt der chilenische Verhandlungsführer Felipe Lopeandía.

"Mit Verhandlungen wie dieser wollen wir ein politisches Zeichen setzen", sagt er. "Es ist wichtig, mit der Vertiefung des Freihandels protektionistischem Druck entgegenzuwirken. Diese Strategie verspricht uns mehr Wohlstand, mehr Arbeitsplätze und mehr nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung."

Das neue Abkommen soll unter anderem Zollbarrieren abbauen, den gegenseitigen Marktzugang für Waren und Dienstleistungen sowie Investitionsbedingungen verbessern, geistiges Eigentum schützen und die Streitbeilegung regeln.

"Keine neokoloniale Beziehung mit Europa"

In Chile gibt es auch Gegner des geplanten Abkommens, die negative Folgen befürchten. "Um ihre Investitionen zu schützen, werden die europäischen Unternehmen unsere Souveränität einschränken", sagt Lucía Sepúlveda, Sprecherin der Bürgerbewegung "Chile Mejor sin TLC" (auf Deutsch: "Chile geht es besser ohne Freihandelsabkommen").

"Umweltschutz können sie dann als Handelsbarriere interpretieren und Chile vor einem internationalen Schiedsgericht verklagen. Wir wollen keine neokoloniale Beziehung mit Europa. Die EU will uns ihre Maschinen verkaufen und wir sollen weiter Rohstoffe liefern", so Sepúlveda.

Anstatt die wirtschaftliche Vielfalt und die chilenische Industrie zu fördern, würde das Abkommen die Konzentration auf Bergbau und Landwirtschaft noch verstärken, sagt sie. Das Kapitel zum Schutz des geistigen Eigentums ziele zudem darauf ab, in Chile die Privatisierung von Saatgut-Züchtungen voranzutreiben.

Schutz der indigenen Bevölkerung

Sorge bereiten ihr auch die europäischen Investitionen im chilenischen Energiesektor, die durch das Abkommen steigen sollen. Häufig werden Großprojekte ausländischer Unternehmen in Chile ohne die Zustimmung der lokalen, oft indigenen Bevölkerung durchgeführt.

So baute zum Beispiel das spanische Unternehmen ENDESA 2002 die Ralco-Talsperre im Süden Chiles gegen erheblichen Widerstand der örtlichen Mapuche-Bevölkerung. Für die Flutung des Stausees mussten Angehörige der indigenen Völker umgesiedelt werden.

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Verbraucher, Bienen und Biodiversität

María Elena Rozas arbeitet für das "Pesticide Action Network" in Chile. Sie befürchtet, dass durch das Freihandelsabkommen mit der EU der Import von giftigen Pflanzenschutzmitteln nach Chile zunehmen wird.

"Wir versuchen in Chile seit Jahren, giftige Pflanzenschutzmittel verbieten zu lassen. Aber der Lobbyismus der großen Unternehmen ist stärker. Die Konzerne werden durch das Freihandelsabkommen mehr Gewinn machen. Die Verlierer sind die chilenischen Verbraucher, die Bienen und die Biodiversität", sagt Rozas.

Vor allem der Zusammenschluss von Bayer und Monsanto zum größten Agrochemiekonzern der Welt bereitet ihr Sorgen. Zahlen der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, belegen, dass der Import von Pflanzenschutzmitteln nach Chile in den letzten 20 Jahren um 469 Prozent angestiegen ist.

In der EU verboten, in Chile legal

Viele dieser Pflanzenschutzmittel sind in der EU verboten. Eines davon ist Paraquat, vermarktet vom Schweizer Unternehmen Syngenta. Unter Landarbeitern und Bauern kommt es immer wieder zu schweren Gesundheitsschäden und sogar Todesfällen, weil das giftige Mittel ohne die notwendigen Schutzmaßnahmen verwendet wird.

In Chile wird Paraquat vor allem auf den Haselnussplantagen von Agrichile eingesetzt, der chilenischen Niederlassung des italienischen Süßwarenherstellers Ferrero. Chile ist der drittgrößte Haselnussproduzent der Welt.

Zu den Pflanzenschutzmitteln, die in Europa nicht oder nur sehr eingeschränkt verwendet werden dürfen, gehören auch Fipronil (BASF) und Azinphosmethyl (Bayer). Die Aktivistinnen Sepúlveda und Rozas fordern deshalb von der chilenischen Regierung eine umfassende Studie über die Umweltfolgen des Freihandelsabkommens, außerdem mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung.

Anmerkung der Redaktion: Die Firma RP GLOBAL Austria hat uns per einstweiliger Verfügung durch das LG Hamburg untersagt, die Passage weiter zu verbreiten. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig und wird von uns überprüft.
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