Zusammen mit meiner Kollegin Christine Werner habe ich zur Situation in Altenheimen während Corona recherchiert. Die Pflegeheime sind in einem Dilemma: Sie sollen die Bewohner*innen schützen, die durch das Coronavirus besonders gefährdet sind. Aber mit welchen Folgen? Was bedeutet die Isolation? Und sehr wurden und werden Grundrechte in Heimen eingeschränkt?
Ab März 2020 gab es Regeln für Besuche und das Verlassen von Altenheimen. Die Regelungen haben sich von Bundesland zu Bundesland unterschieden - und jede Einrichtung setzte und setzt die Regeln nochmal anders um; Spielräume wurden sehr unterschiedlich genutzt.
Zwei Töchter erzählen von ihrem Kampf, um zum Beispiel mit ihren Müttern draußen im Rollstuhl Spaziergänge zu machen. Beide Mütter sind an einer Demenz erkrankt. Nähe und Berührung sind existentiell.
Beide kritisieren die fehlende Verhältnismäßigkeit von Schutz und guter Pflege. Für Demenzerkrankte sei die Situation besonders schwierig: "Wenn ein Mensch sich nicht selbst trösten kann, dann vergeht man sich an ihm, wenn man ihn einer solchen Isolation aussetzt", sagt eine der Töchter.
Pflegewissenschaftler Michael Isfort, Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (dip), nennt Angehörige, die bei der Pflege helfen: Co-Therapeuten. "Wenn die wegbrechen; wenn du denen den Zugang nicht mehr erlaubst, dann kann das durch keinen anderen aufgefangen werden."
In Pflegeeinrichungen in Deutschland leben über 800.000 Bewohner*innen. Gut zwei Drittel haben eine Demenz - mehr als die Hälfte davon eine schwere. Für viele Demenzerkrankte waren "Balkonbesuche" und Videotelefonie kein Ersatz.
Der Pflegeschutzbund Biva wurde ab März überrannt von Angehörigen und gab Rechtsberatung. Was dürfen Heime? Welche Rechte haben Bewohner*innen? In vielen Fällen wäre eine Klage möglich: Doch Angehörige verklagen selten das Heim, in dem Ehepartner*innen, Mutter, Vater leben.
Wir sprechen auch mit Elisabeth Römisch; sie leitet zwei Kölner Seniorenzentren der Arbeiterwohlfahrt. Sie erzählt von den Ängsten zu Beginn der Pandemie, den vielen Verordnungen und ihrem Weg damit umzugehen. Beide Heime sind sonst offene Häuser, ohne Öffnungszeiten. Helmut Wallrafen, Geschäftsführer Sozial-Holding GmbH der Stadt Mönchengladbach, machte Ausnahmen möglich: Er nutzte das Hausrecht für Angehörige - nicht gegen sie. Die Ehefrau, die täglich ihrem Mann das Essen reichte, durfte das weiterhin tun. "Weil sonst wäre er verhungert."
Der zweite Lockdown ist da: Was wurde aus den ersten Corona-Monaten gelernt? Weiterhin fehlen einheitliche Konzepte und kreative Lösungen; das Angebot an Schnelltests hakt. Wie vor Corona herrscht Personalmangel. Pflegekräfte sind am Limit. Und Angehörige kämpfen wieder.