SIMON HAUCK
Once upon a time in Jordan: Theeb (Jacri Eid), ein kleiner Wüstenfuchs, der noch keinen Kontakt mit fremden Invasoren im Osmanischen Reich hatte, schließt sich in den Wirren des Ersten Weltkrieges seinem Bruder Hussein an, der einem britischen Offizier (Jack Fox) als Tourguide für besonders gefährliche Wüstenareale dient. In den mystisch-verschlungenen Tälern des Wadi Rum hat der tägliche Kampf ums Überleben - neben technischen Landvermessungen - für alle oberste Priorität: Hier ein Späher, dort eine Fata Morgana. Und stets die schwarzen Rächer im Kreuz, die nachts - wie Werwölfe - nach ihnen fahnden, die Zähne gefletscht, versteht sich. In bester "Lawrence of Arabia"-Tradition, mit einer Reihe beeindruckender Supertotalen (Bildgestaltung: Wolfgang Thaler), feinem euro-arabischen Score (Jerry Lane) und einem charismatischen Jungdarsteller in der Titelrolle, ist Naji Abu Nowar im letzten Jahr in Venedig (Beste Regie in "Orizonti"-Reihe) ein filmischer Paukenschlag gelungen: ein Neowestern orientalischer Prägung voller archaischer Wucht, der seine Referenzen an Leone oder Corbucci offen zelebriert - und zugleich das Zeug zu einem magisch-realistischen Solitär innerhalb des Genres mitbringt.
SIMON HAUCK
Es gibt Filmemacher - und es gibt Seher: Einer davon heißt Alexander Sokurow, begnadeter Regieexzentriker aus Russland, der formal wie ästhetisch in einer eigenen Liga des Weltkinos spielt. Spätestens seit dem kameratechnischen Filmwunder "Russian Arc" (2002), einer eleganten Untergangssymphonie des zaristischen Adels in einer einzigen Einstellung, oder seiner ebenso freien wie radikalen "Faust"-Adaption (Goldener Löwe in Venedig 2011), genießt der kamerascheue Tarkowskij-Eleve cineastischen Ruhm. Im Gegensatz zur Rezeption in seiner russischen Heimat, mit der er in Leena Kilpeläinens essayistischer Stationenreise mehrmals hart ins Gericht geht, obwohl ihm zuletzt sogar Putin höchstpersönlich Fördergelder zuschusterte. Ein Paradox, wie so vieles im mühsamen Leben des permanent unverstandenen, einsamen Wegelagerers Sokurow, der sich auch gegenüber Kilpeläinens Kamera raffiniert, aber spröde als filmische Sphinx in Szene setzt: Natürlich werden deshalb in dieser visuell mageren, inhaltlich jedoch vollgepackten Porträtstudie nur die großen Themen der Menschheit angepackt: Glaube, Macht, Kunst oder Politik. Drunter geht's bei Sokurow nicht - trotzdem ein Glücksserum für jeden wahren Filmkunstliebhaber.
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