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Am Tiefpunkt: Die Linke nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen

Wieder einmal war es die AfD, um die sich alles drehte. Kein Wunder, immerhin wurde die im Kern rechtsextreme Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg zweitstärkste Kraft. Gemessen an den Umfrageergebnissen der vergangenen Monate und Jahre war dies freilich keine Sensation. Die eigentliche Überraschung ist das historisch schlechte Ergebnis der Linken. Sie erreichte in beiden Ländern nur knapp mehr als zehn Prozent, jeweils ein Minus von etwa acht Prozent im Vergleich zur vorausgegangenen Landtagswahl.
Wie schwerwiegend der Verlust ist, verdeutlicht erst eine längerfristige Betrachtung. Noch vor zehn Jahren holte die Linke in Brandenburg knapp 30 Prozent, war damit Volkspartei. Auch in Sachsen landete sie immerhin bei mehr als 20 Prozent.
Die Hochburgen der Linkspartei lagen vor allem im Ostteil Brandenburgs, wo sie bei der Bundestagswahl 2009 noch alle Direktmandate holen konnte. Die dunkelroten Wahlkreise sind nun als blau getarnte braune Flecken, die dünn besiedelten, von Abwanderung, Überalterung und schlechter Infrastruktur geprägten Gebiete in AfD-Hand. Ebenso wie der um Cottbus herum gelegene Südosten Brandenburgs.
Laut dem Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap war die AfD in Brandenburg bei der Gruppe der »Arbeiter« stärkste Partei - mit 44 Prozent. Als »Arbeiter« gilt, wer sich entsprechend einsortiert. Eine präzise klassenanalytische Kategorisierung ist das nicht, dennoch zeigt sich hier eine für Linke erschreckende Tendenz: Die Brandenburger Linke kommt in dieser Gruppe nur noch auf unterdurchschnittliche acht Prozent Zustimmung. Vor fünf Jahren noch lagen AfD und Linkspartei gleichauf. In Sachsen ist der Trend ähnlich.
Auch wenn die Linke im Vergleich zu den Wahlen vor zehn Jahren in Brandenburg fast zwei Drittel und in Sachsen mehr als die Hälfte ihrer Wähler*innen verloren hat, sind nicht nur langfristige Entwicklungen für den Niedergang verantwortlich. Offenbar hat sich ein Teil der Linken-Anhängerschaft erst in den vergangenen Monaten von der Partei abgewandt. Noch vor einem Jahr bewegte sich die Partei in beiden Bundesländern in Umfragen auf dem Niveau der vergangenen Landtagswahlen, also bei etwa 18 bis 20 Prozent.

Die lang- wie kurzfristigen Gründe für den Niedergang sind nicht so eindeutig zu benennen. Die Linken-Anhänger*innen störten sich an der Regierungsorientierung, lautet eine Hypothese. Richtig überzeugend ist sie nicht: Zwar hat die Linke in Brandenburg tatsächlich mitregiert, aber in Sachsen ist sie seit 1990 Oppositionspartei. Gegen diesen Erklärungsansatz spricht auch, dass die Linke momentan am stärksten in Thüringen ist, wo Bodo Ramelow als Ministerpräsident regiert.

Eine andere Hypothese: Die Linke habe den Alleinvertretungsanspruch als Ost-Partei abgegeben. Es stimmt zwar, dass sie mittlerweile eine gesamtdeutsche Partei ist, mehr als die Hälfte der Mitglieder sind inzwischen West-Linke, aber bei den Wahlnachbefragungen landete die Linkspartei noch immer vorne bei der Frage, welche Partei am ehesten die Interessen der Ostdeutschen vertrete - knapp, aber immerhin vor der AfD.

Noch eine Hypothese sieht im Teil-Rückzug Sahra Wagenknechts eine Ursache, schließlich verliert die Linke seitdem bundesweit an Zustimmung, und auch die spektakuläre Niederlage bei den Europawahlen, wo es nur zu 5,5 Prozent reichte, fällt in die Zeit nach dem Rückzug. Ob und wie sehr die Entwicklungen um Wagenknecht ursächlich für den Abwärtstrend sind, ist allerdings hochspekulativ. Ähnlich verhält es sich - anders herum - mit Wagenknechts These, die Partei habe sich in eine »grünliberale Lifestyle-Partei« verwandelt und damit an Zustimmung eingebüßt. Schließlich hat die Linke auch bei Jüngeren und in den größeren Städten verloren, wo dieses Milieu zu Hause ist.

Eigentlich sind es gute Zeiten für Linke. Es gibt viele soziale Kämpfe, nur: Augenscheinlich kann die Partei davon nicht profitieren, weder von den Fridays-for-Future-Protesten, noch von den Diskussionen um hohe Mieten oder Enteignungen. Zudem erscheint sie vielen offenbar nicht als Antagonistin - weder zur herrschenden Politik noch zur Rechten. Letztere Position nehmen vielmehr die Grünen ein, auch wenn sie bei den Landtagswahlen weit hinter den Umfragewerten zurückblieben.

Die jüngsten Wahlen in Brandenburg und Sachsen offenbaren unterm Strich vor allem eines: den weiteren Niedergang des Mitte-links-Spektrums in Deutschland. In Brandenburg und Sachsen haben die drei Parteien des nominell linken Spektrums jeweils etwa zehn Prozent eingebüßt. In Sachsen sind die drei Parteien, die sich zwischenzeitlich schon leise Hoffnung auf eine gemeinsame Mehrheit gemacht hatten, zusammen sogar schwächer als die AfD alleine. Schwerwiegender als das Ergebnis selbst, ist die Ratlosigkeit. Erschreckend hilflos erschienen jedenfalls die Kommentare aus der Linkspartei-Spitze nach den Wahlen: »Das Ergebnis muss ernst genommen werden«, »es muss Konsequenzen geben«, »kein weiter so«. Diese Reaktionen kommen einem erschütternd vertraut vor. Sie erinnern an die unzähligen sonntäglichen SPD-Pressestatements, die wir aus den vergangenen 15 Jahren nur zu gut kennen. Auswendig gelernte Verse eines Dramas, das in einer Tragödie enden könnte.

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