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Warum wir mehr über Sexismus sprechen sollten

Beim Thema Sexismus leben Frauen und Männer in unterschiedlichen Welten. Deswegen brauchen wir diese Debatte. Was Männer tun können? Die Antwort ist einfach.


Der anzügliche Blick, die Hand, die ungefragt auf dem Oberschenkel landet, die Bemerkung über den „aufregenden" Lippenstift oder die „schlanke Figur" – das sind Szenen aus dem ganz normalen Berufsalltag einer Frau. Ich bin immer wieder erstaunt, wie ungläubig die Männer in meinem Umfeld reagieren, wenn ich von diesen Vorfällen erzähle. Die Sprüche, die Blicke sind für uns Frauen normal. Und wir wissen, dass auch die krassen Fälle häufiger geschehen, als viele wahrhaben wollen: Frauen, die im Club angegrapscht, die auf Partys systematisch betrunken gemacht werden, damit sie weniger Widerstand leisten. Frauen, bei denen ein „Nein" nicht akzeptiert wird.


Männer und Frauen leben in unterschiedlichen Welten - und das nicht erst, seit der Fall Harvey Weinstein bekannt wurde. Männer haben in aller Regel keine Angst, wenn sie nachts allein nach Hause gehen. Sie achten nicht darauf, dass sie bei einer späten Zugfahrt von anderen Menschen umgeben sind, weil sie schon mal in einem leeren Abteil belästigt wurden. Sie sind nicht betroffen und denken darum, dass es in diesem Land kein Problem mit Sexismus und sexuellen Übergriffen gibt.


Natürlich ist nicht jeder Mann, der einen blöden Spruch von sich gibt, ein potenzieller Sextäter. Doch auch die Macho-Sprüche sind eine Geste der Dominanz. „Sie können sich gern zu mir setzen, aber nicht, dass es dann heißt, ich spreche nur mit den hübschen Frauen", heißt es da. Oder: „Bei Ihrer Figur können Sie sich doch ein Stück Kuchen erlauben." Wie wäre es mit einem sachlichem Lob? Oder einem Kompliment, das sich auf meine Persönlichkeit bezieht, und nicht auf mein Dasein als Frau? Wie ich aussehe oder wie viel ich wiege, darüber möchte ich mir nicht ständig ein Urteil von Männern anhören, die ich nicht darum gebeten habe.


Die Grenze zwischen Kompliment und Sexismus

„Er ist 65 Jahre alt, er hat ein anderes Gefühl dafür, was sich gehört und was nicht. Seine Grenze zwischen Kompliment und Sexismus liegt woanders als meine", schrieb eine Autorin bei Zeit Online über ihren Vater, mit dem sie über Sexismus diskutierte. Diese unterschiedlichen Grenzen mögen für viele Männer anstrengend sein und schwer durchschaubar. Zu schmollen oder diese Diskussion als unwichtig abzutun, als verkrampft und albern, hilft der Sache nicht. Es hilft den unzähligen Frauen nicht, die mit unangenehmen und schlimmen Erlebnissen zu kämpfen haben. 


Was dagegen hilft, ist, miteinander zu sprechen – die Töchter, Enkeltöchter, Schwestern, Ehefrauen, Kolleginnen, Freundinnen zu fragen, wie sie die Sache sehen. Haben sie schon schlechte Erfahrungen gemacht? Und wo liegt bei ihnen die Grenze, ab der es unangenehm wird?


Liebe Männer, fragen Sie. Sie werden erstaunt sein, was Sie herausfinden.

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